Afghane des Pop

Er ist der Liebling der Musikkritiker: Beck finden alle klasse, aber keiner möchte im Ernst seine Platte kaufen  ■ Von Sebastian Hammelehle

Im Pop ist der Kritikerliebling, was der Afghane unter den Hunden ist: Jeder freut sich, wenn sich die Nachbarn einen zulegen, jeder bestaunt ihn aus sicherer Entfernung, niemand will ihn selbst besitzen – schmückend, aber zu teuer in der Haltung, zu empfindlich bei schlechtem Wetter. In der Musik heißt der Inbegriff des Kritikerlieblings seit Mitte der Neunziger Jahre Beck.

Diesen Ruf hat der 29-Jährige aus Los Angeles zuletzt im vergangenen Herbst mit seinem Album Midnite Vultures untermauert: Wer hat es gelobt? Fast jeder. Und wer hat es gekauft? Fast niemand. So schön wie für den Popstar der erste Platz in der Hitparade, ist es für einen Popkritiker, zu beklagen, dass sein Favorit diesen Platz eben nie erreicht.

Was noch könnte den Popkritiker erfreuen? Das Weiterjammern. Das Jammern darüber, dass sein erfolgloser Favorit deshalb erfolglos sei, weil er zuviel Humor habe. Auch hier ist Beck zur Stelle: Erinnern wir uns an den Kommentar, den er letzthin abgab, als er gefragt wurde, was er denn heute von Ironie halte: „Ironie ist wie ein schlecht gelüftetes Klo.“ Hier eine Rückblende: Beck wurde mit einem Lied bekannt, dessen Refrain lautete: „Ich bin ein Verlierer, Baby – warum also bringst du mich nicht um?“ Doch muss Beck so selten seine Überzeugungen wechseln wie die hessische F.D.P.? Nein, das muss Beck nicht.

Nun könnte der Popkritiker seine Beck-Platten glücklich ins Regal stellen – wenn da nicht noch die Musik wäre. Beck wurstelt mit so vielen Sounds und Stilen herum, er schwankt zwischen Rock und Folk, zwischen Elektro und HipHop, so dass jeder, der seine Platten mag, sich für einen extrem aufgeschlossenen Kerl halten kann.

Durchschnittlich ist jedes fünfte Lied von Beck ein ordentlicher Hit, so wie „Sexx Laws“ vom letzten Beckschen Album, die anderen Lieder allerdings sind oft nur uninspirierter Quark, so wie die drei, vier Stücke nach „Sexx Laws“. Aber auch die lassen Beck im Lichte des Querdenkers dastehen, ein Licht, das noch heller wird, wenn Becks Familiengeschichte zu leuchten beginnt: Sein Großvater Al Hansen war ein leibhaftiger Künstler, mit dabei beim Fluxus, einer Bewegung, die nur Banausen als Dada-Abklatsch gewertet haben, einer Bewegung, die doch ein bisschen Kurzweil in den Kunstbetrieb der Sechziger gebracht hat. Und etwas ähnliches lässt sich auch über die Rolle von Hansens Enkel in den Neunzigern sagen.

Nun kommt Beck einmal wieder auf Tour und mancher wird sich noch an Becks voriges Hamburger Konzert in der Großen Freiheit erinnern, bei dem Beck einen Mann aus dem Publikum aufforderte, auf die Bühne zu kommen und dort die „human beatbox“ zu machen, zu deutsch etwa: Bass- und Trommelgeräuschemit den Stimmbändern nachzuahmen. Der Unglückliche, der sich dazu bereit fand, wurde von Beck nach einigen kurzen Kostproben mit den Worten „Ladies and Gentlemen: MC Tuberkulosis!“ sich selbst überlassen, Beck und seine Band verschwanden von der Bühne. Dies allein war den Konzertbesuch wert. Und auch das macht einen Kritikerliebling aus: Wir erinnern uns nicht an das Konzert im Ganzen, wir erinnern uns an ein Detail.

 Mi, 15. März, 21 Uhr, Große Freiheit