Weichen falsch gestellt

Eisenbahnergewerkschaft droht mit Streiks. 4000 von 15.000 Jobs in der Region Hamburg sind in Gefahr  ■ Von Magda Schneider

Die Eisenbahner sind stinksauer: „Mit der Opferbereitschaft und der Geduld ist es jetzt zu Ende“, prophezeite gestern der Chef der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands, (GdED), Norbert Hansen, in Hamburg. Wenn der neue Bahn AG-Chef Hartmut Mehdorn bei den Verhandlungen am 24. März an seinen Plänen festhalte, 70.000 Arbeitsplätze zu killen, um den Börsengang zu finanzieren, ist es mit der Sozialpartnerschaft vorbei. Hansen: „Dann werden wir am 25. März sofort mit Streiks beginnen.“

Der Ort für die gestrige Protestkundgebung an der Elbgaustraße war gut gewählt. Gleich neben der Einkaufspassage, wo 1000 EisenbahnerInnen ihrem Unmut über die „sozialen Kahlschlagspläne“ und „der Politik der Zerstörung“ Luft verschafften, befindet sich das ICE-Ausbesserungswerk. Hier werden die empfindlichen High-Tech-Hochgeschwindigkeitszüge regelmäßig gewartet. Schon beim großen Streik im öffentlichen Dienst 1992 war hier der zentrale Punkt des Arbeitskampfes bei der Bahn.

Den Zorn der EisenbahnerInnen hat vor allem der neue Unternehmenschef Mehdorn auf sich gezogen. Da die Staatsbahn fünf Jahre nach ihrer Privatisierung – trotz des Abbaus von 120.000 Arbeitsplätzen – noch immer keine schwarzen Zahlen schreibt, voriges Jahr sogar 170 Millionen Mark Miese eingefahren hat, plant Mehdorn weitere tiefe Einschnitte. Um das Unternehmen börsenfähig zu machen und den Aktionären Renditen von 14 Prozent zu garantieren, müsste die Bahn AG bis zum Börsengang 2004 Gewinne von 3,6 Milliarden Mark einfahren. Dazu sollen 70.000 Arbeitsplätze abgebaut und 80 Millionen Bahnkilometer durch Streckenstillegungen eingespart werden. „Für die Zukunftschancen der Bahn unveranwortlich“, so Hansen.

Im Klartext: Jeder zweite Zugbegleiter und jeder vierte Lokführer würde seinen Job verlieren. Allein in der Region Hamburg würden den Kahlschlagsplänen nach Schätzung von Regionalleiter Peter Kurzora 4.000 der 15.000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen.

Aber damit nicht genug: Die Beschäftigten sollen überdies vier Stunden pro Woche ohne Lohnausgleich mehr arbeiten und drei Nullrunden in den Tarifverhandlungen in Kauf nehmen. Andernfalls wolle die Bahn AG das im Zuge der Privatisierung abgeschlossene Kündigungsschutzabkommen, das bis 2002 in Kraft ist, und die Besitzstandsregelungen einseitig aufkündigen und betriebsbedingte Kündigungen ausprechen. „Das ist eine Kampfansage, die wir nicht tatenlos hinnehmen werden“ bekräftigte Hansen.

Aber auch die Bundesregierung will die GdED nicht aus der Pflicht entlassen. Die Politik habe es in den vergangenen Jahren trotz Ankündigung versäumt, das Fundament zu gießen, um Wettbewerbsnachteile gegenüber dem Binnen- und Luftverkehr von jährlich zwei Milliarden Mark für die Instandhaltung des Streckennetzes zu beseitigen.