■ Frauen-Sexualität
: Eigene Grenzen und Tabus

Sex ist die Nummer eins in den Medien. Nach dem Motto „anything goes“ wird öffentlich gepeept, was das (Lack- und Leder-)Zeug hält. Eine Veranstaltungsreihe der Oldenburger Frauenbüros gibt Anstöße, wie Frauen in diesem Klima ihre persönliche Definition von Sexualität finden können. Kornelia Erhard hat Vorträge, Filme, Cabaret und eine Lesung gemeinsam mit ÄrztInnenbund, Gesundheitsamt, Pro Familia und dem Therapie- und Beratungszentrum für Frauen organisiert.

Frau Erhard, wir erleben heute einen Terror des Sexuellen. Werden Frauen damit nicht auch Opfer einer Entwicklung, die sie mit der sexuellen Revolution selbst entscheidend mit angestoßen haben?

So weit würde ich nicht gehen. Aber ich glaube, dass es eine erhebliche Verunsicherung gibt. Gerade Frauen meiner Generation – so mit Mitte 40 – denken vielleicht häufig, sie müssen bestimmte Sachen erleben oder machen, damit sie nicht verklemmt oder rückständig sind. Das wäre jetzt zum Beispiel der letzte Schritt der Befreiung: die eigenen Grenzen und Tabus zu spüren und zu akzeptieren.

An wen richtet sich die Reihe?

Eher an die Frauen ab 30 bis ins hohe Alter. Wir haben im Vorfeld bei diesen Frauen großes Interesse gespürt. Denn sie haben zum Teil in der neuen Frauenbewegung erlebt, wie im Zuge der sexuellen Revolution über Sexualität viel geredet und gestritten wurde, und heute gibt es kein wirkliches Reden mehr über Sexualität. Der öffentliche Diskurs ist sehr bestimmt durch Medien, in denen ein leistungsorientiertes, technikorientiertes Bild von Sexualität vermittelt wird. Es gibt offensichtlich den Wunsch, darüber mal wieder mit Frauen zu reflektieren. Wir geben aber keine neue Norm vor, sondern wir wollen ein Forum bieten, in dem Frauen ihre eigenen Normen und Grenzen reflektieren können, ohne Vorgaben aus irgendeiner frauenpolitischen Richtung.

Sie erreichen also die ohnehin schon „bewussten“ Frauen. Was ist mit den Mädchen und jungen Frauen, die diesen öffentlichen Bildern vielleicht eher erliegen?

Ich glaube, es unterscheidet die jungen Frauen dieser Generation gerade von uns, dass sie sich nicht mehr in der Opferrolle sehen, sondern dass sie subjektiv das Gefühl haben, sie können sehr selbstbestimmt leben. Und trotzdem gibt es verschleierte Tabus. Wir sehen da einen Bedarf, haben aber nicht den richtigen Weg gefunden. Denn uns scheint, dass die jungen Frauen über die so genannte Aufklärung schon ein Stück abgestumpft sind und eher sagen: „Ich will darüber nichts wissen, es langweilt!“

Fragen: Marijke Gerwin