Dämmern mit Herrn Takuji

■ Die Vorschau: Im Kino 46 beginnt heute Abend die Reihe „Buddhismus im Film“

Der Buddhismus ist wohl die stillste Glaubensrichtung. Statt des Himmels oder der Ekstase strebt er die Leere und den Gleichmut an. Da macht man sich mit Heiligengeschichten nur lächerlich, wie (der nicht umsonst unter Katholiken aufgewachsene) Bernardo Bertolucci leidvoll mit seinem kitschigen „Little Buddha“ erfahren musste. „Buddhismus im Film“ ist also fast ein Widerspruch in sich, denn der horror vacui ist nirgends so verbreitet wie bei den Filmemachern.

Eine gelungene Metapher für die buddhistische Denkweise ist „Der schlafende Mann“. Dieser liegt in dem gleichnamigen Film von Kohei Oguri nach einem Unfall in den Bergen auf seiner Matte in dem Haus eines Bauern, und das Leben in dem kleinen, ländlichen Dörfchen Hitosuji zieht an ihm vorbei. Aber keine Angst, dies ist kein Remake von Andy Warhols „Sleep“, in dem man acht Stunden lang einem Mann bei Schlafen zusehen musste (obwohl Warhols Film einem Zenmeister sicher auch gefallen würde). Bei Oguri ist der dahindämmernde Herr Takuji das ruhende Zentrum des Films, der von hier aus auf die anderen Bewohner des Örtchens blickt.

Das Wunderbare daran ist, dass er dies ohne jede dramaturgische oder emotionale Hierarchie tut. Die auf dem Feld arbeitenden Eltern von Takuji werden genauso detailiert und vielschichtig porträtiert wie koreanische Barmädchen bei ihrer Arbeit, die Aufführung eines No-Theaters oder der alte Besitzer einer hölzernen Wassermühle, der einem kleinen Jungen Geschichten erzählt. Und auch die Bildkomposition ist immer so, dass uns nie vom Regisseur suggeriert wird, wohin wir sehen, und was wir für wichtig oder für nebensächlich erachten sollen.

Oguri zeigt die Natur, den Wandel der Jahreszeiten und immer wieder das fließende Wasser des Dorfbachs. Wenn es eine Hauptrolle gibt, dann spielt sie die Zeit. Die Menschen sind immer in ihre Umgebung eingebettet, und gerade durch diese Freiheit des Blicks hat der Film eine ganz eigene, poetische Intensität. In „Nemuru Otoko“ (so der Originaltitel des Films, der auch in der Originalfassung mit Untertiteln gezeigt wird) durchdringen Leben und Tod einander in einer sehr sachlichen und reinen Schönheit.

Die insgesamt acht anderen Filme dieser Reihe beschäftigen sich in konventionellerer Weise mit dem Buddhismus. Ausgerechnet im Stil des italienischen Neorealismus wird etwa in „Argamshaa“ von einem obdachlosen Jungen in der Mongolei erzählt, der durch einen alten Mann in die Welt des Buddhismus eingeführt wird. „Zen, Kultur und Geist“, „Zen Temple“ oder „Dakinis in Jurten“ sind dokumentarische Lehrfilme, und in den Videos „City of Angels“ und „The Passing“ werden die Verbindungslinien zwischen Buddhismus und zeitgenössischer Kunst aufgezeigt.

Buddhismus als praktische Lebenshilfe beschreibt schließlich die Dokumentation „Doing time, doing Vipassana“, in der davon erzählt wird, wie eine engagierte Gefängnisinspektorin in einem der schlimmsten Knäste Indiens Kurse für Insassen und Personal in der Meditationstechnik Vipassana anbot, die dann so erfolgreich wurden, dass sie inzwischen auch in englischen und US-amerikanischen Gefängnissen angeboten werden. Vielleicht kommt hier ja die Erleuchtung auch für die hiesigen Gefängnisleiter, und in einigen Jahren wird dann der Film „Buddha in Oslebs“ im Kino 46 aufgeführt.

Wilfried Hippen

Alle Filme sind im Kino 46 zu sehen. Die einzelnen Termine können der heutigen Kinotaz oder dem jeweiligen taz-Tagesprogramm entnommen werden