„Diese Banken-Fusion ist schädlich“

Rolf Stockem, Sekretär beim Hautpvorstand der Gewerkschaft HBV zum Zusammengehen von Deutscher und Dresdner Bank: „Wir brauchen ein schärferes Kartellgesetz, das die Interessen der Beschäftigten berücksichtigt“

taz: Sie sitzen als Vertreter der Gewerkschaft HBV im Aufsichtsrat der Deutschen Bank 24. Was halten Sie von der Fusion mit der Dresdner Bank?

Rolf Stockem: Dieser Zusammenschluss ist schädlich. Denn er erschwert die ohnehin schon geringe demokratische Kontrolle dieses Kolosses sehr. Ich hege da großes Misstrauen. Kann unsere demokratische Gesellschaft eine derartige Machtzusammenballung aushalten? Kann sie dulden, dass so viele Arbeitsplätze vernichtet werden? Die Beschäftigten kommen ja nur noch als Sparpotenzial vor.

Wollen Sie streiken?

Persönlich meine ich, dass wir zunächst einmal einen neuen Tarifvertrag zur Fusion fordern sollten. Darin muss unter anderem die Zukunft der Beschäftigten abgesichert werden.

Können Sie denn Ihre Mitglieder in den Banken zum Streik mobilisieren, wenn die Vorstände keinen neuen Tarif wollen?

Das kann ich nur schwer einschätzen. Es herrscht natürlich Angst in den Betrieben. Da gibt es ein weites Spektrum von Verhaltensweisen, etwa Verdrängung. Aber es gibt auch echtes und ehrliches Engagement. Was die Leute tun, hängt natürlich auch davon ab, ob die Gewerkschaft ein glaubwürdiges Konzept vorlegt.

Nimmt der Einfluss von großen Wirtschaftsunternehmen auf die Politik durch derartige Fusionen zu?

Die Macht ist heute schon gigantisch, wird aber noch stärker. Der neue Konzern kommt auf eine Bilanzsumme von rund 2.500 Milliarden Mark – ein Vielfaches etwa des Bundeshaushaltes. Je mehr Geld ein Konzern im Rücken hat, desto mehr Einfluss kann er auch über verdeckte Kanäle ausüben. Das könnten auch die Kunden zu spüren bekommen, wenn etwa wieder einmal die Kontoführungsgebühren angehoben werden und die kleineren Institute einfach nachziehen. Demokratisch legitimierte Institutionen wie das Bundeskartellamt fallen praktisch nur noch durch Abnicken auf.

Brauchen wir ein schärferes Kartellgesetz?

Man sollte sich die Anti-Trust-Regelungen in den USA zum Vorbild nehmen. Sie legen ökonomischen Machtzentren stärkere Zügel an, weil zum Beispiel Unternehmen entflochten werden können. So etwas gibt es hier bislang nicht. Außerdem muss man den Schutz der Beschäftigten ausbauen.

Wird die Fusion dazu führen, dass es in Zukunft vermehrt Beschäftigte erster und zweiter Klasse geben wird?

Die Banken unterteilen ihre Geschäfte zunehmend in Unternehmensbereiche. Das Investmentbanking erzielt mit den reichen KundInnen Riesenerträge, während die Filialen mit den normalen KundInnen dagegen schwächer abschneiden.

Und die Bank 24, bei der die Allianz-Versicherung massiv einsteigt, wird dann eher die Jobs zweiter Klasse anbieten?

Geringere Einahmen in einem Bereich bedeuten in Zukunft auch schlechtere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Der soziale Ausgleich zwischen den bisherigen Teilen der Deutschen Bank fällt weg.

Wie werden sich die Arbeitsbedingungen bei der Bank 24 verändern?

Die Leute im Direktbank-Bereich sind heute schon massiv überlastet. Durch die industriellen Beratungsabläufe im Telefonbanking steigt der Druck. Den Börsengang der Siemenstochter Infineon konnten die Mitarbeiter zum Beispiel schon nicht mehr bewältigen. Nur sechs von zehn Anrufern wurden bedient – obwohl die Beschäftigten den ganzen Tag an der Leitung hängen. Über eine Anzeige an der Wand und akustische Signale bekommt das Personal ständig vor Augen geführt, dass die Erreichbarkeit nicht ausreichend ist. Man ist ständig damit konfrontiert, zu wenig zu leisten.

Die Banken behaupten, dass das Geschäft mit den PrivatkundInnen nicht profitabel sei.

Die Eigenkapitalrendite in diesem Bereich liegt heute bei bis zu zehn Prozent. Die Vorstände wollen aber im Sinne der Ideologie des Shareholder-Value das Doppelte herausholen. Unternehmensbereiche, die nicht die Rendite-Vorgabe von 25 Prozent erreichen, sollen in Zukunft rausfliegen.

Wie viele Jobs gehen verloren?

Wir fürchten, eine fünfstellige Zahl.

20.000 der jetzt etwa 125.000 Beschäftigten?

In den Zentralen der beiden Banken gibt es natürlich Sparpotenzial. Außerdem braucht man nicht an der einen Straßenecke die Deutsche-Bank-Niederlassung und an der anderen die Dresdner Bank.

Mit der Steuerbefreiung erleichtert die rot-grüne Regierung Umstrukturierungen von Konzernen. Sie hofft, dass das mehr Innovation freisetzt und mehr Jobs schafft als vernichtet.

Das ist ein ungedeckter Wechsel auf die Zukunft. Ich kenne im Zusammenhang mit der Fusion keinerlei Pläne der Banken, die Beschäftigung zu sichern oder mehr Personal einzustellen. Es geht immer nur um Kosteneinsparung. Der Rotstift bringt die Gewinne.

Interview: HANNES KOCH