Besessene Bettine

■ Der szenische Monolog „Goethe, hör mich an“ im Altonaer Theater

Dass die Luft zum Element einer höheren Welt wird, wenn sich der Atem des Geliebten mit ihr mischt, ist im Zeitalter der Hygiene eine wunderliche Idee. Zurückgedacht an den Beginn des 19. Jahrhunderts, lange vor Dr. Best und Antiplaque, erscheint der Wunsch, angeatmet zu werden, allerdings noch einen Hauch albtraumartiger. Nicht jedoch, wenn sich zwischen Weinfahne und Raubtierkäfig eine ordentliche Brise Poesie mischt.

So im Falle Goethes. So beschrieben von Bettine von Arnim in ihrem Briefroman Goethes Briefwechsel mit einem Kinde, den sie kurz nach des Dichters Tod begann. Der hier geschilderte Goethe und die angedeuteten Amouren zwischen den beiden gehören größtenteils dem Fiktionalen an – was es für die Zeitgenossen umso pikanter machte. Nun hat Henning Bock auf der Foyerbühne des Altonaer Theaters aus dem Briefroman einen Monolog für Susanne Schäfer entwi-ckelt: Goethe, hör mich an. Der Meister ist tot, seine Habe in einem Dutzend Umzugskartons verstaut. Bettine packt die letzten Sachen und rezitiert aus dem Tagebuchteil ihres Manuskripts. Ist ihre Sprache auch epochenbedingt pathetisch aufgeladen, verzichtet Schäfer in ihrem Spiel ganz auf überbordendes Geschnörkel. Somit gelingt auch der Transport der juvenilen, absoluten Liebe ins Jahr 2000.

In mattgrün glänzendem Raschelkleid erscheint Bettine ganz besessen: von Selbstgerechtigkeit, dem Wunsch, wiedergeliebt zu werden, und besonders vom Verliebtsein an sich. Objekt des Begehrens ist Goethe – so heilig und unerreichbar wie ein Medienstar. Und wenn Bettine den himmelblauen Einband seines Gedichtbandes umarmt, ist das fast schöner, als Goethe selbst zu drücken.

Bocks Inszenierung scheut sich nicht vor humoristischen Sequenzen, jedoch ohne Goethe als deutschen Dichterfürsten zu demontieren: Spröde und abgeklärt erzählt Bettine etwa von den Avancen des betagten Herrn, im sexy weiss-wollenen Nachtrock „recht nächtlich und bequem“ zu sein. Am Ende packt Bettine den allerletzten Karton mit der Aufschrift „Mein“: Es ist ein Abschied von Goethe, aber nicht von der Liebe. Liv Heidbüchel

weitere Vorstellungen: 10., 12. und 16. März, 20 Uhr, Altonaer Theater, Foyerbühne