Malen macht Qualen

Der Zeitgeist trägt diese Saison zartes Pastell: Arbeiten von André Butzer und Susanne Paesler in der Zwinger Galerie und bei Contempary Fine Arts

von HARALD FRICKE

Auf die Frage, warum nach Jahren der Kontextkunst, der Videoräume und Aktionsclubs nun wieder gemalt wird, bekommt man sehr verschiedene Antworten. Die einen sagen, dass sie nicht mehr auf Bildschirme starren mögen; die anderen sagen, dass sie die Polit- und Diskurszirkel müde gemacht haben; und für noch andere sind ganz einfach die Neunzigerjahre vorbei. Bei allen drei Haltungen bleibt unklar, warum ausgerechnet Malerei eine Alternative sein soll.

Für André Butzer sind solche Probleme nur ein Nebenwiderspruch des Betriebs. Wenn er malt, knallen die Farbmassen aufeinander, bis fratzenhafte Konturen hervorschimmern. Der Prunk des Kaputten – eine Orgie in Schwarz, Rot, Kupfer und Gold. Butzer denkt dabei an Atomkriege und entstellte Menschen, es erinnert aber auch an Philip Gustons Comicgesichter oder an Asger Jorn und seinen antiprogrammatischen Anarchismus aus den Fifties. Entsprechend liest sich Butzers Text über Vergangenheit im Katalogheft der Hamburger Akademie Isotrop wie ein Manifest für Spurensucher: „Man braucht uns. Wir sind mit Lob ausgestattet. Wir sind dabei den Leichnam rauszuholen. Die große Bedeutung des Leibes soll gut sein. Du hast den schönen Speicher der Widersprüche gesehen. Die Überlegenheit ist durch unsere Galoschen an den Füßen angekommen.“

Vor allem sind die derangierten Figuren, die Butzer auf die Füße stellt, immer unfertig: Was sie auf der Bildfläche zusammengefügt, wird im Allover der Farbe wieder aufgelöst. Deshalb kann der 1973 geborene Maler seine Ausstellung „Der Realismus bereut nichts!“ nennen und trotzdem als dessen Gegner auftreten. Denn er kämpft an beiden Fronten: Die Abstraktion erscheint ihm als „nicht zu Ende gemalt“, aber die Realität will er auch nicht darstellen. Insofern passt seine Malerei ins Zwischenreich der Imagination, wo Mythenbilder und Wahnsinn, kalkulierter Farbeinsatz und explodierende Gesten gut miteinander ins Gespräch kommen.

Die Arbeiten von Susanne Paesler sind am anderen Ende der Skala angesiedelt. Butzers Wunsch nach einer fast archaischen Ausdruckskraft prallt an ihren Arbeiten komplett ab. Alles ist Oberfläche, Stil und Präzision der Gestaltung. Der FAZ-Kunstkritiker Thomas Wagner nennt Paeslers Gemälde im Katalog deshalb „mustergültig“. Tatsächlich beherrschen Linien, Strukturen und Zitate das Bildgeschehen. Moderne Kunst ist nicht mehr state of art, sondern ein Standard, dem man sich nur ironisch nähern kann.

Mit leichter Hand rekonstruiert Paesler die „Drippings“ von Jackson Pollock als längst vom Lifestyle eingeholtes Dekorelement. Pollocks voll getropfte Leinwände dienten schon damals als nervös flimmernder Hintergrund für Modestrecken in Harper’s Bazaar oder Vogue. Umgekehrt nimmt Paesler Stoffmuster etwa von Prada, um deren avantgardistisch reduzierten „Look“ in Malerei zu übersetzen.

Je gezielter die Berliner Malerin ihre Referenzen einsetzt, umso klarer zeichnet sich die künstlerische Haltung ab. Es geht um die Frage, wie weit die Strahlkraft von Malerei als Medium reicht. Kann sie für die Gemengelage zwischen Kunst und Alltag verbindliche Images finden? Oder ist Malerei nur mehr ein Aperçu des Zeitgeists, der gestern wie Techno-Camouflage aussah und in dieser Saison zarte Pastellfarben trägt? Vielleicht behauptet Paesler ihren Eigensinn in der Unschärfe, die ein solcher Wandel erzeugt. Schließlich ist der große Paradigmenwechsel – Malerei jetzt, Nieder mit Video! – an den Rändern ausgefranst. Paesler arbeitet mit scharfen Kanten, aber in einem weiten Feld.

André Butzer: „Der Realismus bereut nichts!“ Bis 25.3., Di–Sa 11–18 Uhr, Contemporary Fine Arts, Sophienstraße 21. Susanne Paesler: „Private Painting“. Bis 18. 3., Di–Fr 14–19, Sa 11–17 Uhr, Zwinger Galerie, Gipsstraße 3