das gespenst der bulimie von WIGLAF DROSTE
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Dringende Depesche aus dem Kanzleramt: Gerhard Schröder möchte abnehmen. Drei bis vier Kilo. Jeder, der das gar nicht wissen will, muss es dennoch erfahren. Denn der Mann hat nicht nur einen Diätplan, sondern auch eine tapfere kleine Frau dazu. Eine Gattin. Die ihm hilft, seine Vision umzusetzen. Und die in Bild am Sonntag alles darüber erzählt.

Homestories über fiese Existenzen gab es schon immer, und der Currywürstler und seine Frau passen rückstandslos in die Bild am Sonntag hinein: Gerhard Schröder, die Armani-Kleiderspende, und Doris Köpf, das Gespenst der Bulimie. Sicherlich haben die Deutschen Strafe verdient, aber von diesen Leuten regiert oder auch nur repräsentiert zu werden, ist doch unmenschlich hart. Gerhard Schröder, das banale Öde, schreitet umher und spielt Staatsmann, und Doris Köpf, das BamS-Geschöpf, knopfäugelt magersüchtig in der bunten Presse herum. Ist das Hillus Rache an Gerhard Schröder?

Wer von Doris Köpf medial belästigt wurde, den kann MerkelFerkel nicht mehr schocken. MerkelFerkel ist sogar irgendwie süß. Ein Mädchen vom Lande, geschlagen mit der Hypothek, Helmut Kohls etwas trampelige Tochter sein zu können. Als aber MerkelFerkel Harald Schmidts Witze über ihre Frisur souverän und humorvoll parierte, entflammte ich kurzzeitig für sie. Schon wollte ich einen offenen Liebesbrief schreiben: MerkelFerkel, ich liebe Sie!

Begeistert verfolgte ich ihren Kampf gegen den ungeschlachten Volker Rühe. Die einzige menschenähnliche Regung, die von Volker Rühe bekannt ist, war sein Stolpern und Stürzen auf dem sandigen Parcours von Belet Huen. MerkelFerkel gegenüber aber sprach Rühe mit rohem Munde. So klopfte mein Herz nur noch stärker für sie.

Dann schlug die Ratio zurück. „Moment“, sagte die Ratio. „Der berechtigte Hass auf die herrschenden Halunken ist eine Sache. Leuten, die sich, kaum an der Macht, auf einen ihre Karrieren stützenden Krieg stürzen, und die jeden, der ihnen dafür nicht claquiert, zum indolenten Lumpen erklären, zu einem Auschwitz-erst-möglich-Macher, zum Kumpanen von Milošević, soll man das nicht vergessen. Gerhard Schröder, Joseph Fischer und Rudolf Scharping sind nicht nur ästhetische und intellektuelle Zumutungen, sie sind auch Kriegseinpeitscher. Aber das ist kein Grund, MerkelFerkel zu lieben.“

Recht hat sie, die Ratio. Zum Glück. Ein paar ritterliche Gefühle aber darf man schon hegen für MerkelFerkel. Allein schon dafür, dass sie niemals so flach sein wird wie Sabine Christiansen. Nur ein Flüppchen müsste MerkelFerkel ab und zu rauchen und sich schminken – wenigstens ein bisschen. Nicht wegen des Aussehens. Sondern weil eine deutsche Frau rauchen und sich schminken muss. Das hat mit der historischen Schuld von Millionen deutscher Frauen zu tun, die nicht rauchten und sich nicht schminkten. Solche volksgesunden Turnbeutel, die dem Führer ein Kind schenken wollen, dürfte es nie wieder geben. Und doch ist das Land voll von ihnen. Sie sagen aber nicht mehr Volksgesundheit. Sie sagen jetzt Wellness. Oder Diätplan, wie Doris Köpf.