Mit Lenin die Linke auf Linie bringen

Fraktionschef Gregor Gysi hadert mit den letzten Kommunisten in der PDS. Was tun? Einen langen Brief schreiben

Berlin taz ■ Ein länglicher Brief von Gregor Gysi, den der PDS-Fraktionschef am Montag seiner Partei schickte, dürfte den Streit um die Entwicklungsrichtung der demokratischen Sozialisten weiter anheizen. Gysi erwecke den Eindruck, reagierte die tiefrote Sahra Wagenknecht sogleich im Interview mit dem Freitag, „dass für ihn das neue Programm bereits feststeht“.

Die PDS wird auf der „dritten Tagung des sechsten Parteitages“ im April in Münster über militärische Einsätze der Vereinten Nationen und ihre Parteiorganisation sprechen. Die PDS hält erstmals einen Parteikonvent in einer westdeutschen Stadt ab.

Gysi, der sich als PDS-Mediensternchen gerne und gut in Kurzbotschaften mitteilt, nahm sich diesmal 19 Seiten Platz, um den Delegierten seine Meinung zu sagen – im Ton erstaunlich zurückhaltend für seine Verhältnisse. Gysis Schreiben ist als rhetorisches Appeasement an die Parteilinke zu verstehen. Die hat ihm offenbar diverse ausgrenzende Sprüche nicht verziehen. Vorsichtig konzediert der heimliche Parteichef nun ganz allgemein, „dass die Partei in ihrer Profilbestimmung noch nicht so sicher ist, dass sie sich selber über den Weg traute“.

Bei der umstrittenen Frage von Militäreinsätzen mit UN-Mandat wird Gysi allerdings konkret und deutlich. Weder Parteivorstand noch Bundestagsfraktion dürften sich ein Politikverbot erteilen lassen. „Diese Dogmatik widerspräche zutiefst der Kultur, wie sie in der PDS seit 1989 entstanden ist“, schreibt Gysi. Er meint damit einen breit getragenen Antrag Parteilinker für Münster. Die wollen dem Vorstand und der Fraktion verbieten, im Einzelfall zu prüfen, ob diese einen Einsatz von Truppen der UNO gut heißen sollen.

„Damit fielen wir weit hinter Lenin zurück“, zitiert Gysi einen kommunistischen Gründervater – damit die kommunistische Plattform der PDS auch weiß, an wem sie sich nun abzuarbeiten hat. Der Plattform, für die in der medialen Öffentlichkeit vor allem Sahra Wagenknecht steht, widmet sich Gysi gesondert: Sie geriere sich als ideologische Wächterin, mosert der Fraktionschef. Besonders stört ihn, dass Wagenknecht und andere „auch noch stolz darauf [sind], in den Medien als Hemmschuh der Erneuerung der PDS zu gelten“.

Gysi sieht es als notwendig an, neben Wagenknecht auch gleich die Tageszeitung junge Welt (12.000 Abos) auf Linie zu bringen: Es gehe nicht an, nur ideologische Urteile abzugeben, so Gysi, man müsse „täglich konkrete Politikvorschläge machen“. cif