Die Erotik des Wischzwangs

■ Tanz-Bremen-Festival II: Die lokale Tanzszene zeigte in wechselnder Qualität mehr oder weniger kurze Choreographien

Die amerikanische Tänzerin Doris Humphry soll einmal gesagt haben: jeder Tanz ist zu lang. Für drei Choreographien des „Tanzlokals 1“, in dem, wie bei jedem Tanzfestival üblich, fünf Tänzerinnen der freien bremischen Szene ihre Produktionen im MOKS-Theater vorstellten, gilt das in jeder Hinsicht. Nicht zu Ende kam Corinne Kronn mit „Entre Nous“, was mit nervender neoklassischer und minimalistischer Musik über den Eindruck einer fleißigen Tanzübung kaum hinaus kam.

Birgit Freitag, die künstlerische Leiterin des Festivals, probierte mit „ipse fecit“ eine neue Arbeit mit Lichteffekten aus, mit vielen schönen Ideen, die aber letztendlich zu zaghaft bleiben. Das komische Potenzial, das sie aus ihrem urig gebastelten Lichtwägelchen (Horst Mühlberger) durchaus zauberte, verlangte geradezu nach mehr Pfiffigkeit. Und ihr Tanz ist in der Kleinmotorik, der Bewegungen des Kopfes, der Hände, von gewohnter Originalität, die großen Bewegungen waren mir zu „Rolle- rückwärts“-lastig und letztendlich auch zu gleich – wie gesagt, im Verhältnis zur Länge. Dagegen braucht Johanna Hegenscheidt, inzwischen New York, ganze fünf Minuten, um mit „KindIrrgarten“ eine originelle Vielfalt von Bewegungscharakteren aufzublättern. Mit ihrer falsch zugeknöpften rosa Bluse findet sie immer auch ironischen Abstand zu den imaginierten Zuständen in sich selbst: in wenigen Strichen eine ganze Psychogeschichte hervorragend erzählt.

Claudia Hanfgarn zeigte mit „Oh! Maria“ eine zwanghaft wischende und aufräumende Frau, zeigte gleichzeitig deren erotisches Verhältnis zu ihrem sinnlosen Tun. Das war konzentriert, gut und sehr witzig gemacht, ein bisschen überholt wirkte lediglich, das Thema wischende Frau noch einmal so aufwendig aufzutischen. „Tango, ohne rot zu werden“ präsentierte Katharina Reif für zwei Tänzerinnen (Reif und Nannette Ortmann) und einen Tänzer (Andreas Guse): immer schneller und immer aussichtsloser spielen sich die Menschen in ihre Entfremdungen hinein, bis der Tango eine neue Dimension der Hoffnung eröffnet. Ute Schalz-Laurenze