Atommüll nicht zu entsorgen

Erstmals stellt ein Expertengremium der Bundesregierung offiziell fest: Egal, wie gut strahlende Abfälle verpackt werden, früher oder später wird Radioaktivität aus dem Endlager entweichen

BERLIN taz ■ Die Entsorgung des Atommülls ist eine „wohl unlösbare Frage“. Das erklärte gestern der Umweltsachverständigenrat der Bundesregierung bei der Vorstellung seines „Jahresgutachtens 2000“ in Berlin. Damit hat erstmals ein Expertengremium der Regierung eingeräumt, dass es keine abschließende Lösung des Atommüllproblems gibt.

Nach Einschätzung der Experten ist es nicht möglich, das Problem der Gasbildung in dem eingelagerten Müll in den Griff zu bekommen. Die Fässer, in die der Atommüll schließlich verfüllt werden müsse, würden mit der Zeit korrodieren, ebenso der metallische Strahlenmüll. Dabei wird aber Gas frei. Auch durch Mikroben könne sich Gas bilden.

Da der Atommüll über zehntausende von Jahren gelagert werden müsse, sprenge das Gas früher oder später jede Barriere. So würden radioaktive Substanzen frei, die schließlich ins Grundwasser oder an die Luft gelangen könnten. Auch ein Salzstock, wie in dem geplanten Endlager in Gorleben oder dem bestehenden in Morsleben, kann das Austreten von Radioaktivität nicht mit Sicherheit verhindern.

Diese Gasbildung macht ein „völlig neues Herangehen an die Entsorgungsfrage nötig“, erklärte gestern Ratsmitglied Martin Jänicke von der Freien Universität Berlin. Seine Einschätzung habe sich der Rat „hart erarbeiten“ müssen. Dem Urteil ist eine Reihe von Anhörungen des Umweltrates mit allen wichtigen Experten, Atomgegnern wie Befürwortern, vorausgegangen. Dabei sei dem Umweltrat zu Folge deutlich geworden, dass die „Untersuchungen, die eine Basis für geeignete Endlager bilden sollen, letztlich nie zu einem naturwissenschaftlich einwandfreien Nachweis eines absolut sicheren Endlagers gelangt sind“. So steht es nun im Jahresgutachten, das der Umweltrat gestern Umweltminister Jürgen Trittin übergab.

„Wir sollten uns von der Vorstellung verabschieden“, sagte Umweltrat-Generalsekretär Hubert Wiggering, „dass wir die Radioaktivität, die wir einlagern, ein für alle Mal versteckt haben.“

Sechs von sieben Mitgliedern des Rates wurden noch von der Regierung Kohl eingesetzt. Vor der näheren Auseinandersetzung mit der Entsorgungsfrage hatte im Rat eine deutlich weniger skeptische Haltung überwogen. Die jüngste Anhörung im vergangenen Dezember hatte schließlich die Wende gebracht. Zu viele Fragen hatten von den eingeladenen Entsorgungsspezialisten, die sich zum Teil schon über viele Jahre mit dem Thema beschäftigen, nicht klar beantwortet werden können. Eine große Überraschung für den Umweltrat. „Selbst die Kritiker der Atomkraft haben kaum eine Ahnung“, sagte gestern Umweltratsmitglied Martin Jänicke, „welche Probleme da auf uns zukommen.“ MATTHIAS URBACH

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