Utopische Geometrie

■ Wahrnehmungswissenschaft: „Bilder ohne Namen“ des Hamburger Malers Jakoov Blumas in der Kunsthalle

Ungewöhnliche Bilder bringt die Reihe „Standpunkte“ diesmal an die hohen Wände im Altbau der Kunsthalle: Meist aus mehreren Einzelleinwänden zusammengesetzt, manchmal mit aufgesetzten, schmalen Kreisbögen erweitert, entfalten streng geometrische Formen in genau begrenzten Flächen ein malerisches Eigenleben. Doch als Malerei sind die Bilder ohne Namen von Jaakov Blumas eher von einer heute unzeitgemäßen Sprödigkeit. Ein stark reduziertes Vokabular dominiert die raumgreifenden Querformate, irritierenden Doppelungen und nur scheinbar gleichen Spiegelungen: Kreisbögen wie Brückensegmente, zwischen Vorder- und Hintergrund kippende Ovale und schwarze, ganz zeichnerisch gesetzte Linien und Linienscharen.

Es gibt Bilder, die an architektonische Entwürfe erinnern und die den Baumeistern aus Manierismus, Rokoko und Dekonstruktivismus sicher gefallen würden. Deren Entwürfe zu vieldeutigen Räumen sind ein möglicher Bezugspunkt für Blumas' Konstruktionen. Allerdings setzt er seine Überlegungen mit weitaus weniger Aufwand um und vermeidet alles Erzählerische. Denn es gibt nichts in der realen Welt, von dem die Bilder von Jaakov Blumas Abstraktionen sein könnten. Trotz ihres genauen Aufbaus mit Lineal und Schablonen entführen sie in eine surreale Welt mit einer utopischen Geometrie, in der die Kombination von an sich schnell wieder zu erkennenden Grundelementen zu etwas führt, das jeder Erfahrung widerspricht. Lineamente lassen verschiedene Interpretationen zu, Bildaußenkanten werden zum Teil der inneren Bildstruktur, und Farben streiten sich mit der Zeichnung um den Vorrang. Nur die Betrachter können für die hier angelegte Mehrdeutigkeit vorübergehend eine Lösung finden und die Fragmente zu einem persönlichen Bildeindruck vereinen.

Der in Litauen geborene Jaakov Blumas kam vor 17 Jahren nach Hamburg, vorher lebte er in Russland und Israel. Er sieht sich selbst gerne als Wahrnehmungswissenschaftler, der es als Künstler der so oft totgesagten Malerei durchaus zutraut, noch an nie gesehenen Grenzen zu rütteln. So kommen seine Bildtraktate zur zeitlich und räumlich asynchronen Raumwahrnehmung weitgehend mit den traditionellen Mitteln Leinwand und Farbe aus. Diese Paarung von Mittelreduktion und Bildintelligenz macht seine Arbeiten in der unübersichtlichen Menge aktueller Malerei so konsequent und so eigenständig. Hajo Schiff

Jaakov Blumas: „Bilder ohne Namen“, Kunsthalle, bis 14. Mai, Begleitheft 5 Mark; weitere Ausstellung: Schloß Agathenburg bei Stade, 25. März bis 1. Mai