besuch der alten dame
: MICHAEL LANG über die belebende Wirkung von Averna

HERTHA, EINE ÜBERRASCHUNG

Fußballer sind hochnäsig, altbacken, auf Statuten aus den 60er-Jahren fixiert. Klischees sind das halbe Leben. Und definitiv einfacher als die eigene Erfahrung.

So kommt man also als neues Team nach Berlin und denkt: Okay, bevor die alte Dame Hertha BSC mit den jungen Wilden von Berlin Thunder die ersten Gespräche anfängt, spielt der Hoeneß eher wieder selbst Fußball. Klischees eben. Als dann in unserer Geschäftsstelle das Telefon klingelt und sich das Oberstübchen der alten Hertha mal mit uns Jungen zu einem Gespräch treffen will, war die Überraschung groß.

Meeting beim Italiener – man findet sich nett und stellt schnell fest, dass ein offener Erfahrungsaustausch für beide Seiten effektiv sein kann. Keiner der Sportklubs in Berlin hat Allwissenheit für sich gepachtet. Und gepriesen seien die, die es erkennen. Zum Beispiel die Herthaner.

So gibt’s beim Italiener nicht nur richtig gute Pasta und mal einen Averna zwischendurch, sondern auch sehr produktive Gespräche. Gediegene Altersweisheit versus jugendliches Ungestüm sozusagen. Am Ende des Abends bildet sich direkt so etwas wie ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den Alteingesessenen und dem „New Kid on the Block“. Generationen-Mix, beinahe wie in einer Großfamilie.

Leckere Pasta bei der Großfamilie

Für uns ist diese Art der Kooperation von Anfang an wichtig. Es gibt nicht wenige in der Stadt, die uns ein schnelles und furchtbares Ende wünsch(t)en, doch mit einem Partner wie Hertha BSC sieht unsere Zukunft weitaus rosiger aus als noch vor den paar Avernas. Hertha unterstützt uns mit ihrem Know-how und ist immer zur Stelle, wenn Not an weisem, erfahrenem Rat ist – dafür ein herzliches „Danke“ und eine erneute Einladung zum Italiener mit ein paar guten Rotweinen. Und Avernas.

Um ähnlich erfolgreich zu sein wie die „Alten“, die Fußballer, zieht es uns bald in ihre nähere Umgebung. Seit November liegen unsere Geschäftsräume, unsere Kinderzimmer also, genau gegenüber denen von Hertha BSC. Nein, keiner hat an dieser Stelle vom „Seniorensitz“ geredet. Nun müssen wir nicht mehr so viel fragen, sondern schleichen uns nachts einfach heimlich in die Büros der Herthaner und besorgen uns die Informationen, die wir brauchen. Übrigens – auch ein Herr Hoeneß wurde des Nachts schon mal beim Spionieren bei uns gesehen. Sagt man.

Kinderzimmer am Seniorensitz

Direkt neben Hertha zu arbeiten, ist natürlich für jeden Mitarbeiter von Berlin Thunder ein riesengroßer Ansporn. Wir werden Hertha in dieser Stadt nie den Rang ablaufen können, aber wir versuchen alles, damit wir so nah wie möglich an sie herankommen. Vor allem wollen wir möglichst bald nicht nur die Geschäftsräume, sondern auch das Stadion mit der Hertha teilen. Sicher, das wird Herrn Röber nicht so freuen, denn wir wissen ja alle, wie ein Spielfeld nach einem Footballspiel aussehen kann. Aber die Herthaner sind so gut, die können auch auf einem Acker spielen. Und außerdem: So schlimm sind wir auch nicht!

Für den Endspurt in dieser Saison wünschen wir unseren Nachbarn alles Gute. Trotz dem Champions-League-Aus denken wir, dass Hertha eine fantastische Saison gespielt hat, wenn man berücksichtigt, dass sich da eine alte Dame ganz allein zwischen lauter jungen Männern tapfer schlagen musste. Wir drücken die Daumen, dass Hertha auch zum Ende der Saison wieder unter den Ersten landet. Am liebsten wäre uns allerdings eine Doppelfeier: Hertha wird Deutscher Meister, und Thunder holt den World Bowl?!

Michael Lang ist General Manager von Berlin Thunder, Footballteam in der NFL Europe