Tourismus in der Defensive: „Wir sind kein Nazi-Land“

Österreich präsentiert sich auf der Internationalen Tourismus Börse, als wäre nichts geschehen. Über das angeknackste Image der Alpenrepublik sprechen die Aussteller nicht gern

Ein Salzburger Hotel wirbt mit Traumhochzeiten und Mozartkugeln. Ein Mann mit Mikrofon prahlt vor Messebesuchern mit einem Gewinnspiel. Hinter kleinen roten Ständen stehen nette Damen und rücken ihre Prospekte zurecht. „So tun, als wär nichts“ scheint das Motto zu sein, mit dem sich die österreichischen Aussteller auf der Internationalen Tourismus Börse (ITB) präsentieren. Allerdings ist heuer nur mäßiger Betrieb.

Der Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei FPÖ unter dem Rechtspopulisten Jörg Haider folgten Boykotte, Proteste, Sanktionen. Fatal für ein Land, das den größten Teil seines Bruttosozialprodukts mit Fremdenverkehr erwirtschaftet.

Auf das angeknackste Prestige angesprochen, reagieren die österreichischen Urlaubsberaterinnen in Halle 17 verschreckt. „Nein, wir merken davon nichts“, versichern sie einmütig. Und eine schiebt noch trotzig hinterher: „Ein Besucher will jetzt erst recht zu uns reisen. Die Deutschen und ihr Land sind ja auch nicht anders, nur weil jetzt die SPD regiert.“ Die Damen rufen nach dem Pressebeauftragten.

Auch Nina Genböck, die Berliner Sprecherin von „Österreich-Werbung“, dem österreichischen Fremdenverkehrsverein, gibt sich reserviert: „Wir sind nicht da, um politische Ereignisse zu kommentieren. Wir sind für Tourismus zuständig“. Genau. Und der nimmt Schaden.

Seit der Regierungsbeteiligung der FPÖ sind in Österreich 30.000 Übernachtungen in Hotels storniert worden. Nach Angaben des Direktor der Tourismusbehörde, Karl Seitlinger, machen vor allem Geschäftsleute seit Anfang Februar ihre Buchungen rückgängig. Dies bedeute Einbußen von 100 Millionen Schilling (14,2 Millionen D-Mark) für die Wirtschaft. Glaubt man einer Umfrage des Hamburger Online-Marktforschungsinstituts Ears an Eyes Webreserach, dann ist Österreich für nahezu die Hälfte der potenziellen Urlauber aus Deutschland derzeit tabu.

Doch obwohl die deutschen Besucher die mit Abstand größte ausländische Gästegruppe im Land darstellen, arbeitet „Österreich Werbung“ nicht daran, das angekratzte Ansehen zu verbessern. Jedenfalls nicht mit Kampagnen. Die seit drei Jahren bewährten Reklamespots unter der krachledernen Überschrift „Alltag raus, Österreich rein“ werden nicht mehr als früher auch geschaltet. „Die Buchungen der Werbeplätze in den Medien stehen schon seit einem halben Jahr fest“, sagt Genböck. „Wir müssen erst die Zahl der tatsächlichen Stornierungen abwarten, bevor wir überlegen, ob wir darauf reagieren.“

Auch ihr Chef ist genervt. „Stornierungen im Individualtourismus sind uns nicht bekannt“, meint Wolfgang Haas. Das Anteil der jetzt abgesagten Kongressbuchungen mache nur 2 bis 3 Prozent des Touristiksegments aus. „Das wird von den Medien breitgetreten“, erregt er sich. Es habe natürlich besorgte Anrufe und Briefe potenzieller Gäste gegeben. „Da muss man das Gespräch suchen“, sagt er mit einem Gesichtsausdruck, der zeigt, wie lästig ihm das inzwischen ist. Auch eine der Beraterdamen findet die ganze Situation „gemein“. „Die Leute können doch nichts für so einen Politiker.“

Nach einer anfänglichen Ausladung von Seiten der belgischen Regierung darf Österreich nun doch auf einer nächste Woche in Belgien stattfindenden Tourismusmesse seine Stände aufbauen. Die Teilnahme Österreichs an der Berliner Messe stand zwar nie wirklich zur Disposition. Doch am letzten Donnerstag kritisierte die Fraktionschefin der Berliner PDS, Carola Freundl, den Senat, weil er den Auftritt Österreichs nicht verhindert habe. Berlins Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU) hatte den Vorwurf zurückgewiesen: „Politik und Wirtschaft sollten nicht miteinander vermengt werden.“

Für Österreich ist der Tourismus noch wichtiger als für Länder wie Spanien und Griechenland. 500.000 der 8 Millionen Einwohner haben Jobs, die mit dem Tourismus verknüpft sind.

Nur eine Frau mit Broschüren von Kärnten berichtet unverkrampft über ihre Erfahrungen am ersten Tag auf der ITB. Sie habe heute noch keine negativen Bemerkungen von Besuchern gehört. Stattdessen „sehr viel Solidarität“ empfangen. Ein Haider-Sympathisant habe auf den deutschen Außenminister Joschka Fischer geschimpft, ein anderer gemeint: „Lasst euch nicht unterkriegen!“ Die Kärntner Reiseveranstalter hielten wegen der massiven Attacken aus dem Ausland mehr zusammen denn je. Das sei gut, um offensiv zu zeigen: „Wir sind kein Nazi-Land.“

KIRSTEN KÜPPERS