auf der matte
: Deutsche Ringer setzen Prioritäten

KÄMPFER IN TERMINSTRESS

Es hätte durchaus auch schlimmer kommen können. Jedenfalls hatte der Deutsche Ringer-Bund (DRB) die Veranstalter prophylaktisch schon mal gewarnt, als er ihnen im Vorjahr den Zuschlag gab für die Ausrichtung der deutschen Ringer-Meisterschaften. Durchaus sei damit zu rechnen, dass einige Top-Athleten nicht auf die Matte gehen würden beim nationalen Championat, hieß es. Schließlich stehen im Sommer in Sydney weit bedeutendere Dinge an, auf die es sich zu konzentrieren gilt.

Für solche Großzügigkeiten gegenüber seinen Top-Athleten war der DRB bis dato nicht berühmt. „Es ist mir nicht schwer gefallen, dafür Argumente vorzulegen“, sagt zwar Lothar Ruch, der Bundestrainer. Gleichsam aber weiß er, „dass Argumente nicht bei allen ankommen“ im Verband. „Früher hätte ich Spitzenleuten nicht einfach so freigeben können“, gibt Ruch zu. Dass es ihm neuerdings doch möglich ist, führt der Bundestrainer auf einen „Entwicklungs- und Reifeprozess“ zurück – und auf eine „neu entwickelte Verantwortungsqualität“. Diese ist allemal notwendig geworden, schließlich drängen sich längst auch bei den Ringern Wettkämpfe dicht an dicht. „Ich würde mir mehr Atempausen wünschen, um das Ganze auf eine gesündere Grundlage stellen zu können“, sagt Ruch. „Fast schon eine Todesspirale“, empfindet der Mann, der seit 15 Jahren Bundestrainer ist, sei der ständige Wechsel zwischen nationalen und internationalen Aufgaben.

Das wird am Beispiel von Rifat Yildiz deutlich. Bis Mitte Januar rang der Mann aus Aalen in der Bundesliga, dann begannen die Qualifikationsturniere für Olympia in Sydney. Vier davon, zerstreut über den ganzen Globus, hat Yildiz schon hinter sich gebracht, das letzte folgt am nächsten Wochenende im ägyptischen Alexandria.

In der Wertung der besten drei Turnierergebnisse liegt der Aalener derzeit auf dem siebten Platz, just der letzte Rang ist das, der dem DRB noch ein Olympia-Ticket in der Klasse bis 58 Kilogramm bescheren würde. „Da ist es doch klar, dass ich ihn dafür schone und bei den deutschen Meisterschaften nicht an den Start bringe“, sagt Bundestrainer Ruch.

Auch für Maik Bullmann dürfte die EM zur letzten Hoffnung werden. Nur wenn 16 Ringer in seiner Gewichtsklasse bis 97 Kilogramm in Ägypten überhaupt auf die Matte gehen, so will es das eigentümliche Wertungssystem, kann Bullmann just jene 16 Zähler gutmachen, die dem DRB derzeit zu Platz 7 und somit nach Sydney fehlen, immer vorausgesetzt, er gewinnt das Turnier. „Davon gehe ich nicht aus“, sagt Bundestrainer Ruch und meint damit, um das gleich klarzustellen, die Teilnahme von 16 Ringern. Bei den deutschen Meisterschaften hätte Bullmann ohnehin nicht starten können, weil ihn ein Muskel zwickt. Am Ende trugen sich zwei von drei deutschen Olympistartern in die Siegerliste bei der DM ein. Es hätte wirklich schlimmer kommen können. FRANK KETTERER