press-schlag: Ein ehemaliger Leichtathlet auf Abwegen könnte die Meisterschaft entscheiden
„THE BODY“ MACHT DEN UNTERSCHIED
Den akademischen Erörterungen über Spielsysteme und taktische Variationen zum Trotz ist die Wahrheit einfach. Sie liegt auf dem Platz, genauer gesagt rennt sie dort herum, in Gestalt des Stürmers. Wenn er jubelt, ist alles klar. Vor allem die Antwort auf die Frage nach dem Unterschied zwischen Bayern München und dem Rest.
Man könnte da natürlich eine Menge aufzählen, Tradition zum Beispiel und Geld und Stars und vereinsimmanentes Selbstbewusstsein und am Ende auch Rotation. Um es aber kurz zu machen, reicht schon das letzte, die Wechseloption. Da sieht man: der Unterschied heißt Zickler, Vorname: Alexander.
Womöglich hat unlängst Real Madrid geschafft, was Zickler selbst in sechseinhalb Jahren bei den Bayern nicht gelungen ist: ihm endlich das Ballspielen als freundlichen Akt beizubringen. Denn einst war Zickler – da er gut gebaut und modelhaft austrainiert ist, auch „The Body“ genannt – einer, der wie ein Leichtathlet über die Flügel sprintete, um dann nicht zu wissen, was er im Strafraum mit diesem runden Lederding anfangen soll. Plumps. Chance vorbei.
Also ging es Bayern so: War der erste Sturm müde, verletzt, gesperrt, und es musste Zickler ran, war mit weiteren Toren nicht mehr zu rechnen. Nicht durch Zickler. Allenfalls in Meppen.
Aber jetzt ist binnen vier Tagen dies geschehen: Als Einwechselspieler hat Zickler mal eben zwei Treffer gegen Madrid gemacht, beide ziemlich cool für einen Leichtathleten; und nun, inzwischen in die Startelf aufgestiegen, hat er gegen Schalke noch zweimal nachgelegt. Da kann dann ein Elber (19 Bundesligaspiele, 9 Tore) sich schonen und ein Sergio (17 Spiele, 9 Tore) braucht gar nicht erst mitzumachen. Alexander Zickler hat inzwischen intern gar die beste Trefferquote: 7 Tore in 12 Ligaeinsätzen.
Ziehen wir vergleichsweise Bayer Leverkusen heran. Der Rückrundenstart ohne den verletzten Stürmerstar Kirsten brachte dem Verfolgerteam: einen einfachen Sieg gegen Duisburg, eine deprimierende Niederlage bei Bayern, ein „Würgespiel“ (Trainer Daum) mit 1:0 gegen Stuttgart, ein zähes Remis bei Schalke. Und nun, seit drei Spielen mit Kirsten: 3:1 sowohl gegen Hertha als auch in Kaiserslautern, 4:1 gegen Wolfsburg. Kirstens Bilanz dabei: zweimal einmal, jetzt gleich zweimal getroffen, und immer sind es Ausgleichs- oder erste Führungstore.
Man sieht: der Unterschied zwischen Bayer und den anderen ist auch einfach zu erklären. Kirstens Quote ist unerreicht: 17 Einsätze, 12 Treffer. Was lernen wir daraus? Hält Ulf Kirsten durch, klappt es vielleicht doch noch mit dem ersten Titel für Bayer.
Wir ahnen: Allein „The Body“ könnte das verhindern.
KATRIN WEBER-KLÜVER
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