Rechtschreibgegner sind sitzen geblieben

■ Die Initiative „Wir gegen die Rechtschreibreform“ hat es sich anders überlegt: Das gerade erst genehmigte Volksbegehren wollen sie jetzt doch nicht durchführen

Ein Volksbegehren gegen die Rechtschreibreform wird es in Bremen nun doch nicht geben. Gestern erklärte die Initiative „WIR gegen die Rechtschreibreform“, das Volksbegehren sei von den Vertrauensleuten der Initiative abgesagt worden. „Wir ziehen damit die Konsequenz aus dem Verhalten der SPD und der CDU, die uns nicht bestätigen, dass Sie Volksentscheide achten“, ließ Vertrauensmann Gerold Fuchs per Pressemitteilung verlauten.

Die Absage kommt überraschend. Heute genau vor einem Monat hatten die Reformgegner vor dem Staatsgerichtshof Bremen einen außerordentlichen Sieg errungen. „Das Volksbegehren ist zulässig“, urteilten damals die Richter. Der Senat war vor den Staatsgerichtshof gezogen, um das Volksbegehren zu kippen. Der Text sei nicht klar genug formuliert, zudem dürfe mit einem Volksbegehren nicht gefordert werden, dass der Senat sich auch bundesweit für ein Stopp der Reform einzusetzen habe. Nur im letzten Punkt waren die Richter dem Senat gefolgt, der Jubel bei der Initiative war groß.

Jetzt treten die Aktivisten freiwillig den Rückzug an. Warum? Am 25. Februar hatte die Initiative mehrere Briefe an SPD, CDU und Grüne geschrieben. Ahrens und ihre Mitstreiter forderten eine „Demokratieerklärung“ von den Parteichefs Detlev Albers (SPD), Bernd Neumann (CDU) sowie Klaus Möhle und Wolfram Sailer (Grüne). Die Parteien sollten sich zu dem Verfassungsgrundsatz „Die Staatsgewalt geht vom Volk aus“ bekennen. Zudem sollten die Parteien das Versprechen abgeben, „zukünftige Volksentscheide in Bremen ÄzuÜ respektieren und unangetastet ÄzuÜ lassen“. Falls diese Erklärung nicht innerhalb der nächsten zehn Tage, „spätestens jedoch bis zum 6. März 2000“ abgegeben werde, „so werden wir das Volksbegehren absagen“.

Hintergrund ist das Rechtschreibreform-Volksbegehren in Schleswig-Holstein. Dort war eine ähnliche Initiative zwar nach Stimmen erfolgreich. Ein Gericht aber kassierte den Volkswillen, der nach der alten Rechtschreibung schrie, die neue Rechtschreibung wurde eingeführt. Das sollte in Bremen nicht geschehen.

Tatsächlich hat die Initiative weder von SPD noch von der CDU eine Antwort auf ihr Schreiben erhalten. Weder Detlev Albers noch der Sekretärin von Bernd Neumann war der Eingang des Briefes in Erinnerung zu rufen. Ahrens will die Briefe höchstpersönlich in den Parteizentralen abgegeben haben. Allerdings war zumindest der CDU-Brief falsch adressiert an „CDU Bürgerschaftsfraktion, z.Hd. Herrn Bernd Neumann“. Neumann ist Parteichef, Fraktionschef ist Jens Eckhoff. Nur die Grünen hätten geantwortet, dass es ein „klares Gebot der politischen Fairness und politischer Vernunft“ sei, dass die Bürgerschaft ein erfolgreiches Volksbegehren nicht innerhalb kurzer Zeit – „schon gar nicht in der gleichen Legislaturperiode“ – umstoßen könne.

Der Rückzug geschehe auch, um Schaden von der Demokratie abzuwenden, sagt Ahrens. „Wenn wir Erfolg gehabt hätten, und die Entscheidung des Volkes später wieder annulliert worden wäre – dann würde bei der nächsten Volksabstimmung kein Bürger mehr zur Urne gehen“, glaubt sie. Die Bürger hätten dann das Gefühl, ihre Stimme sei nichts wert und werde von der Politik ohnehin später vom Tisch gefegt.

„Wir hätten die 50.000 Unterschriften für das Volksbegehren zusammenbekommen“, ist sich Ahrens immer noch sicher. Erst die nächste Stufe, in der für den Volksentscheid 130.000 Stimmen hätten gesammelt werden müssen, wäre schwierig geworden. „Wir haben nicht aufgegeben“, lautet Ahrens resignierte Parole, „wir wollten nur die Demokratie nicht weiter schädigen“.

Christoph Dowe