Selbstgefälliges Shoah-Mitleid

Robert L. Hilliard, Kommunikationsprofessor und einer der GIs, die Nazideutschland besetzen halfen, hat ein Buch über jüdische „Displaced Persons“ verfasst. Es ist misslungen. Der Autor ist vor allem an seiner Eitelkeit gescheitert

Robert L. Hilliard, Professor für Kommunikationswissenschaft in Boston, hat über das Schicksal der Holocaust-Überlebenden als „Displaced Persons“ unmittelbar nach dem Krieg in Deutschland und die Politik der US-Besatzer ihnen gegenüber geschrieben. Das ist brisant, denn es geht um einen harten Vorwurf.

Hilliard, nach dem Krieg 19-jähriger US-Soldat in Bayern, wirft der US-Besatzungsmacht vor, die KZ-Überlebenden nach dem Krieg nicht ausreichend mit Nahrung, Kleidung, Unterkunft und Medikamenten versorgt zu haben. Die Folge sei gewesen, dass Tausende doch noch an den Folgen der Verfolgung durch die Nazis starben – Shoah-Opfer, die eigentlich hätten gerettet werden können.

Der Autor erzählt, wie er mit Kameraden in einem Krankenhaus mehr als 400 Opfern der Deutschen auf der Klosteranlage St. Ottilien bei Landsberg durch allerlei Tricks helfen konnte. Schließlich habe auch ein offener Brief, geschrieben an die amerikanische Öffentlichkeit, zu einer Verbesserung der US-Politik gegenüber den ehemaligen KZ-Häftlingen beigetragen.

So weit, so ehrenhaft. Doch je länger man sich durch das Buch quält, umso mehr nimmt die Verärgerung zu. Das fängt damit an, dass seine nicht schwer zu verstehende Grundthese permanent wiederholt wird. Nervig ist auch Hilliards Geschwätzigkeit, mit der er noch so banale Elemente des GI-Lebens länglich referiert. Zudem stolpert man immer wieder über Fotos des grinsenden Autors in Uniform.

Ärgerlich obendrein aber sind sachliche Fehler, die spätestens bei der Übersetzung des Werks hätten korrigiert werden müssen. So werden etwa „Wehrwölfe“ erwähnt – angebliche Naziguerillagruppen, die die Besatzer aus dem Reich vertreiben sollten. Die aber hießen in Wirklichkeit „Werwölfe“ und spielten diesbezüglich keinerlei Rolle (und mit den Skinheads von heute hatten sie schon lange nichts zu tun). Angesichts dieser Mängel ist es dann auch nicht mehr verwunderlich, dass das Werk zudem sprachlich mehr als fahrlässig ist: So wirft der Autor der US-Armee einen „Genozid durch Vernachlässigung“ vor und nennt ein Straflager der US-Armee für renitente GIs ein „Konzentrationslager“ – hat Hilliard überhaupt verstanden, was ein Genozid ist und was in KZs geschah?

Außerdem und auf die Gefahr hin, eines üblen Patriotismus geziehen zu werden: Die Urteile Hilliards über „die Deutschen“ sind schlicht deutschfeindlich. Denn die Deutschen erscheinen in seinem Buch pauschal lediglich als ewige Judenfeinde, die am liebsten den Genozid auch nach dem Krieg weiterbetreiben wollten, die Shoah-Überlebenden am liebsten weiter zu Tode prügelten, arme GIs reihenweise meuchlings ermordeten, ihre Töchter US-Soldaten andienten und entweder schleimerisch oder arrogant waren (zum Nachlesen: Seiten 36, 57, 69, 70, 74, 77).

Am skandalösesten aber ist die Frauenfeindlichkeit Hilliards: Die deutschen Frauen, die als die berühmten „Fräuleins“ mit US-Soldaten befreundet waren, werden durchweg mit abschätzigen Randbemerkungen oder sogar ganze Absätze lang als Nutten porträtiert – einschließlich solch absurder Vorwürfe, Dolmetscherinnen hätten falsch übersetzt, wenn NS-Opfer etwas von US-Offizieren wollten, andere hätten sogar die Soldaten in ihren Betten dazu überreden wollen, mit der „Endlösung“ fortzufahren (siehe Seite 69f, 73, 76).

Fazit: Hilliards Buch strotzt vor Selbstgefälligkeit, Geschwätzigkeit, sachlichen Fehlern, sprachlichen Schnitzern, Deutschenhass und Frauenfeindlichkeit. Das Thema bleibt wichtig, aber dieses Werk sollte in jeder gut sortierten Antifa-Bibliothek fehlen. PHILIPP GESSLER

Robert L. Hilliard: „Von den Befreiern vergessen. Der Überlebenskampf jüdischer KZ-Häftlinge unter amerikanischer Besatzung“. Campus, Frankfurt am Main 2000, 242 Seiten, 39,80 DM