Zu verlosen: Abitur in zwölf Jahren

■ Zahl der Anmeldungen übersteigt Plätze in Begabtenjahrgang am Kippenberg Gymnasium /Schulbehörde beschließt: Aufnahme per Losverfahren / Betroffene Eltern fühlen sich betrogen

Bildungsenator Willi Lemke (SPD) stehen stürmische Zeiten ins Haus. Die Eltern der 234 ViertklässlerInnen, die für den Schulversuch „Abitur in zwölf Jahren“ am Kippenberg-Gymnasium angemeldet worden sind, schäumen vor Wut. Nur 150 Kinder können aufgenommen werden. Am Montagabend verkündete der Orientierungsstufenleiter Wulf-Ingo Schlöpke, wie die Schulbehörde das Problem lösen will: per Losverfahren. Nur wer schon ein Kind an der Schule hat – „Geschwisterregel“ – hat seinen Platz schon sicher. „Damit wird der Schulversuch ad absurdum geführt“, schimpfte ein Vater. Der Leistungsgedanke gehe verloren. „Gesetzwidrig“ sei so etwas, „idiotisch“ und „widerlich“, gifteten andere Eltern. Zudem dürfe die Geschwisterregel in diesem Fall nicht gelten, da ein „Cleverle“ ja ein „strunzdummes“ Brüderchen haben könnte. Mehrfach wurde die Befürchtung geäußert, es könnten ausgerechnet die ausgelost werden, die dem in zwölf Jahre gequetschten Lehrstoff nicht gewachsen sind. Das hieße, dass nach ein paar Jahren Plätze frei würden, aber die jetzt Abgewiesenen keine Chance mehr hätten, ihre Kinder noch in diese Klassen hineinzubekommen.

Die Chancen für die SchwachhausenerInnen sind etwas besser als die derjenigen, deren Kinder aus anderen Stadtteilen anreisen würden. Drei Fünftel der Plätze sollen mit Stadtteil-Kindern besetzt werden – hier liegen 126 Anmeldungen für 90 Plätze vor. Die 60 Plätze für „Überregionale“ werden unter 108 SchülerInnen ausgelost.

Ganz schlecht stehen die Karten für Kinder aus Walle, der Neustadt und Co., die nach Wunsch ihrer Eltern die besondere Musikklasse besuchen sollen. Die Zahl der Anmeldungen ist hier gleich drei Mal so hoch wie die zur Verfügung stehenden Plätze. Angesichts der schlechten Chancen, ihre Kinder in dieser Klasse unterzubringen, dachten einige laut darüber nach, sich doch für die reguläre Klasse am Kippenberg umzumelden.

Oberstufen-Leiter Schlöpke führte auf der Informationsveranstaltung den Eltern immer wieder die extreme Mehrbelastung für die zukünftigen Kippenberg-Kids vor Augen, um wenigstens einige von dem Trip runterzubringen, ihr Kind solle schneller durch die Schule als andere. Es half alles nichts: Die Eltern wirkten beleidigt, dass ihnen da jemand sowohl ihr begabtes Kind ausreden wollte und ihre Fähigkeit anzweifelte, zum Wohle ihres Nachwuchses zu entscheiden. Sie waren sicher, dass das eigene Kind auf jeden Fall aufs Kippenberg gehöre und nirgendwohin sonst. Dabei sorgten sich SchwachhausenerInnen um eines: Wer am Kippenberg eine „Niete“ zieht, muss dann Ende März in einer anderen OS um Aufnahme bitten, die zudem weiter vom Wohnsitz entfernt ist.

Dominiert wurden Form und Inhalt der Kritik allerdings von denjenigen, die sich über die Willkür des Auswahlverfahrens aufregten, weil das bedeuten könnte, dass all die „Doofis“ per Losglück gezogen werden, die auf einer Begabtenschule nichts zu suchen haben, und ihr hochintelligentes Kind das Nachsehen hat. Damit das Glück nicht mit den Dummen ist, wurden Forderungen nach Aufnahmeprüfungen laut. Ein Vater wünschte sich einen „Bonus“ für sein Kind, weil es bereits ein Musikinstrument spielt.

Angesichts der massiven Kritik an dem Plan der Schulbehörde war OS-Leiter Schlöpke sichtbar hilflos. Da von der zuständigen Behörde niemand anwesend war, versprach Schlöpke der erbosten Elternschaft, die Bedenken weiterzugeben. Allzuviel Zutrauen in die Durchsetzungsfähigkeit des Orientierungsstufenleiters scheinen die Eltern nicht zu haben: „Wenn die Behörde nicht zu uns kommt und mit uns redet, dann gehen wir eben zur Behörde!“, drohte ein Vater.

brei