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: GUT, ABER NUR GUT GEMEINT

Neu ist die Sache mit der Aktie nicht. So genanntes Future-Kapital auf die zukünftige Stadtentwicklung, den Erwerb von Grund und Boden oder die Gestaltung der Häuserzeilen hatten schon die Wohnungsbaugesellschafter der 20er-Jahre auf ihrer Rechnung. Mit dem Geld der Gewerkschaften sollten Arbeiterpaläste in Reinickendorf oder Zehlendorf entstehen. Die entstanden auch. Der Haken war nur: Nicht das Proletariat zog ins Grüne, sondern der bürgerliche Mittelstand.

Die neue Bürgerstadt AG winkt mit ähnlichen Beteiligungsmodellen. Auf den ersten Blick scheinen diese vernünftig, gibt es doch kaum noch Bauprojekte, die auf die Belange der Stadt und ihrer Bewohner reagieren. Berlin protzt zwar mit teuren unattraktiven Neubauvierteln, aber auch mit Leerstandsraten im Superlativ und einem prosperierenden Eigenheimbrei im Umland. Wohnungsbau, einstmals das Flaggschiff der Stadt zu Zeiten der IBA, ist zur Größe aus der Perspektive von Generalplanern und Kapitalgesellschaften degeneriert. Lückenschließungen in der Innenstadt gehen zu Höchstpreisen über die Bühne. Und der soziale Wohnungsbau samt Bürgerbeteiligung? Fehlanzeige.

So ist es nur recht, dass ein Aktienmodell die kleinteiligen privaten Städtebauer zum Kauf von innerstädtischen Flächen und Wohnbauten ermutigt. Ebenso billig ist es, dass die neuen Gründer in die Abläufe der Stadtentwicklung miteinbezogen werden und bürgernah sowie sozialverträglich agieren. Dass angesichts günstiger Grundstücke und preiswerter Bauabläufe die Rendite nicht T-onlineartig sein wird, müssen die Aktionäre hinnehmen. Sei’s drum. Stadt und Urbanität bieten mehr Qualitäten als der Optionsstress von Börsianern.

Einen Haken allerdings hat die Bürgerstadt AG, orientiert sie sich doch am Leitgedanken des Masterplans und den Wohnmodellen für zukünftige Urbaniten und deren modernem Lebensstil. Mehr Wert hat die Aktie erst einmal nicht. Zwar kann die Aktie jeder zeichnen. Das ist gut, aber eben nur gut gemeint – siehe Reinickendorf und Zehlendorf. ROLF LAUTENSCHLÄGER