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: Miamis Quarterback-Legende Dan Marino tritt ab

BESTER ARM IM FOOTBALL

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Er war nicht der Michael Jordan oder der Wayne Gretzky seines Sports, dazu fehlten ihm die Meisterschaften. Dennoch: Mit Dan Marino trat am Montag der beste Football-Quarterback aller Zeiten zurück: In 17 Spielzeiten für die Miami Dolphins warf der heute 38-Jährige Pässe für 61.361 Yards und 420 Touchdown-Pässe. Insgesamt stellte Marino mehr als zwei Dutzend Rekorde auf, von denen der Großteil auf absehbare Zeit auch nicht gebrochen werden dürfte. Im Gegensatz zu anderen Quarterbacks war Marino sehr unbeweglich und ziemlich langsam. Aber: Ein Quarterback ist in erster Linie fürs Passen zuständig, und da gab es keinen Besseren. Möglicherweise besaß er sogar den besten Arm der Football-Geschichte. Kaum wer konnte den Ball so weit und gleichzeitig so exakt werfen wie Dan the Man.

Der tragische Aspekt dieser beispiellosen Karriere: Niemals hat Marino eine Meisterschaft gewonnen. Nicht in den Kinderligen des Peewee-Football, nicht in der Highschool, nicht am College und auch nicht in 17 langen Profijahren in der National Football League (NFL). Das lag selten an ihm, aber Schuld trug er in gewisser Weise trotzdem: Die Dolphins waren immer so auf sein Spiel zugeschnitten, dass Laufspiel quasi nicht stattfand. Umso erstaunlicher ist es, dass Marinos Rekorde zustande kamen, obwohl sich jede Verteidigung der NFL auf ihn konzentrierte. Mehrere Coaches scheiterten daran, den Dolphins und ihrem Star einen anderen Stil anzutrainieren. Am Ende stand eine sportliche Demütigung: In Marinos letztem Spiel setzte es in den Playoffs bei den Jacksonville Jaguars ein 7:62, die höchste Niederlage in der Geschichte der Dolphins.

Zuletzt hatte Marino überlegt, noch bei den Minnesota Vikings anzuheuern, die ihn unbedingt verpflichten wollten: „Ich habe mich gequält mit dieser Entscheidung“, so Marino, „der letzte Monat war der härteste meines Lebens.“ Den Ausschlag gab sein Gesundheitszustand, nach sechs Knieoperationen, diversen anderen Verletzungen, zuletzt wochenlang ein steifer Nacken. Nur ein einziges Mal erreichte Marino den Super Bowl, 1984, in seinem zweiten Profijahr. Dort verloren die Dolphins gegen die San Francisco 49ers mit Joe Montana, der den Gegenentwurf zu Marino verkörperte: Ein eher schmächtiges Männchen mit einem durchschnittlichen Arm, der kaum Rekorde aufstellte, aber dafür viermal die Super Bowl erreichte und jedes Mal gewann. Allerdings muss man zu Marinos Ehrenrettung sagen, dass er niemals so gute Passempfänger zur Verfügung hatte wie Montana.

In Florida wird Marino trotz fehlender Titel verehrt wie kein anderer Sportler. Nach seiner Anfangszeit als Profi, in der er als verwöhnt und arrogant verschrien war, pflegte er zuletzt ein Image als langweiliger, aber treusorgender Familienvater und Wohltäter. Marino, der selbst einen autistischen Sohn hat, gründete Stiftungen oder organisierte Spendenkampagnen für ein Kinderkrankenhaus.

Die Rücktrittspressekonferenz geriet zum größten Medienereignis in der Geschichte der Dolphins. 150 Journalisten und 20 Fernsehkameras drängelten sich, während Dolphins-Besitzer Wayne Huizenga verkündete, dass Marinos Trikotnummer 13 nicht mehr vergeben, eine Statue für ihn errichtet und demnächst eine Straße in Stadionnähe nach ihm benannt werden wird. Marino hofft nun, dass „die Statue gut aussieht“, und plant den üblichen Ruhestand zurückgetretener Profisportler: Familie, Golf und möglicherweise ein Job als TV-Kommentator. Nur Trainer, das will er auf keinen Fall werden: „Niemals könnte ich diese Typen coachen, die heutzutage spielen.“ THOMAS WINKLER