Ungeliebt erfolgreich

Imageprobleme bei Manchester United: Selten wurde ein so treffsicherer Spieler so untreffend in Frage gestellt wie Stürmer Andy Cole

MANCHESTER taz ■ Nach exakt 100 Toren in vier Jahren für Manchester United hat Andy Cole eine Frage: „Mich würde mal interessieren, warum die Leute mich immer noch für einen schlechten Spieler halten.“ Doch bevor jetzt irgendwer lange Analysen verfasst, um ihm zu antworten: In Wirklichkeit will er es gar nicht wissen. Schon ein bisschen mehr Anerkennung würde Andy Cole (28) reichen.

Selten wurde ein so erfolgreicher Spieler so in Frage gestellt wie Cole. Seine genauso mitreißende wie effektive Stürmerpartnerschaft mit Dwight Yorke half United vergangene Saison, die Champions League zu gewinnen, die englische Meisterschaft und den nationalen Pokal. Auch in diesem Spieljahr läuft die Torproduktion wieder auf Touren: 19 Treffer gelangen Cole bereits vor dem Champions-League-Spitzenspiel gegen den AC Florenz am heutigen Mittwoch. Doch Kritiker wie Ex-Nationaltrainer Glenn Hoddle stellen nur fest: „Cole braucht zu viele Chancen, um seine Tore zu machen.“

Coles nicht selten haarsträubend spektakulären Fehlschüsse haben sich offenbar besser eingeprägt als die vielen Volltreffer. In der Nationalelf wurde der seit 1993 konstanteste Torschütze der englischen Premier League nur siebenmal eingesetzt, und daran scheint sich wenig zu ändern. Andererseits landete Cole bei der Wahl zum Weltfußballer 1999 unter den ersten zehn, vor Dwight Yorke, Roberto Carlos oder Oliver Bierhoff.

Nationaltrainer von 140 Ländern stimmten über den Weltfußballer ab, Cole hat seine Fans vorzugsweise auf entfernten Inseln. Seine Verehrer zum Reden zu bekommen ist indes gar nicht so einfach: Die Kapverden votierten für ihn, aber dort hebt beim Fußballverband niemand den Hörer ab. Mauritius’ Trainer Dorasami steht auf Cole, seine Sekretärin sagt bei mehreren Anrufen, sie verbinde gleich – es geschah jedoch nie. Auch von den Malediven bekam Cole Punkte, leider hieß es aus der Geschäftsstelle in Ghalolhu, „morgen und übermorgen ist wegen Feiertag geschlossen. Danach können Sie um acht Uhr früh anrufen“ – drei Uhr nachts in Europa.

Zu sprechen war Jozef Adamec, Trainer der Slowakei, der Cole nach Barcelonas Rivaldo als zweitbesten Spieler der Welt benannte. „Coles Jagd nach Toren ist sehr attraktiv“, sagte Adamec, „er hat den Instinkt und das Talent, sich vor dem Tor Freiräume zu schaffen, entweder auf eigene Faust oder mit Kollegenhilfe“. Cole weiß, dass auch das gute Zusammenwirken mit Yorke oft gegen ihn verwendet wird; er profitiere halt vom starken Nebenmann, heiße es dann: „Ich begann bei United mit Eric Cantona als Partner, und alle sagten: ,Wegen Cantona schießt Cole so viele Tore.‘ Dann war Teddy Sheringham an meiner Seite, und es hieß: , Sheringham – ein Super-Wegbereiter – mit dem muss jeder Tore machen.‘ Und jetzt dasselbe mit Yorke.“ Muss er erst alleine Fußball spielen, damit seine Leistung respektiert wird?

Tatsächlich scheinen die Vorbehalte, die Nationaltrainer, dutzende Fachkommentatoren und tausende Fans in England seit Jahren gegen den Stürmer hegen, größtenteils Vorurteile zu sein. Wie die offizielle Statistik der Premier League zeigt, ist jeder fünfte Schuss oder Kopfball des technisch akrobatischen Cole ein Treffer. Nur Shearer oder Yorke weisen ähnliche Quoten auf.

Dass sich der Blick so auf seine Mängel konzentriert, liegt auch an Coles Auftreten außerhalb des Spielfelds. Der Öffentlichkeit erscheint er als scheuer, negativer Mensch. Wenn er zu Interviews Platz nimmt, verschränkt er die Arme vor der Brust wie ein Schutzschild und fängt zu oft an zu jammern: die Presse verkenne ihn, der Nationaltrainer bevorzuge Shearer. Sein Partner und Freund Dwight Yorke verteidigt ihn: „Du sollst ein Buch nicht nach dem Aussehen der Titelseite beurteilen: Manche Leute sind in der Öffentlichkeit so und so, und wenn du sie privat kennen lernst, entdeckst du eine ganz andere Seite an ihnen.“

Cole tut so, als sei es ihm egal, was die Szene von ihm denkt: „Meine Mutter sagte einmal, du bist nicht auf der Welt, um Freunde zu machen, genieße einfach dein eigenes Leben.“ Gesagt, getan: Seit ihn Teamkollege Teddy Sheringham nach einem Gegentor anfuhr: „Das war dein Fehler!“, redet Cole nicht mehr mit ihm. Seit zwei Jahren schon.

RONALD RENG