TATENLOS SIEHT DIE DEUTSCHE POLITIK BEI DEN GROSSEN FUSIONEN ZU
: Ludwig Erhard hatte Recht

Fusionen überall, riesige Konzerne an jeder Straßenecke. Arbeitsplätze fallen zu Tausenden weg, und auf nationaler Ebene entstehen Unternehmen einer Gößenordnung, denen Bürger und Politiker hilflos gegenüberstehen. Doch ist die Gesamtbilanz der Fusionen wirklich so schlecht? Und wie ausweglos steht die Politik den Auswirkungen der Globalisierung gegenüber?

 Für den normalen Bürger ändert sich nicht viel durch eine Fusion. Denn die großen Konzerne schufen in den letzten Jahren in Deutschland sowieso keine Arbeitsplätze, sondern vernichteten sie. Auch beim großen Leitbild USA ist das so: Jobs schaffen die kleinen und mittleren Firmen, sonst niemand. Ob nun mit Fusionen oder ohne, das ändert höchstens etwas am Tempo der Rationalisierungen, nicht aber am Grundsatz des stetigen Feilens an der Produktivität.

 Nur wenn kleine Firmen die Möglichkeit erhalten, auf neuen Sektoren ihre Nischen zu finden, werden dort Stellen geschaffen. Der neue Sektor Internet und Software konnte auch deswegen so boomen, weil ihn die großen Konzerne in den USA wie in Europa verschlafen haben; Firmenehen spielen in Boomsektoren keine bestimmende Rolle, sondern der freie Wettbewerb und die Kosten für einen Marktzugang. Das klingt sehr nach dem alten Ludwig Erhard, bleibt aber wahr – auch wenn in heutigen Zeiten niemand mehr an das Soziale bei der Marktwirtschaft denkt.

 Wer das US-Vorbild mit seinen Millionen von neuen Jobs in der Dienstleistung und bei High-Tech-Firmen bemüht, muss allerdings auch die politische Seite mitsehen. Denn hier droht der deutsche Gesetzgeber wieder einmal die Entwicklung zu verschlafen. Wirtschaftsforscher raten zwar, dass sich der Staat möglichst aus der funktionierenden Marktwirtschaft herauszuhalten habe. Doch lokal – also auf dem deutschen Bankenmarkt, bei Versicherungen oder der Nahrungsmittelindustrie zum Beispiel – kann es durchaus zu Konzentrationen kommen, bei denen man nicht mehr von freier Marktwirtschaft sprechen kann. Genau hier traut sich die Politik nicht. Zum Glück existiert eine funktionierende EU-Wettbewerbsbehörde, doch das deutsche Kartellamt bewegt nichts. Auskunftspflicht, Offenlegung von Parteispenden und Nebenverdiensten von Politikern, ein Register über das Beiratsunwesen der Konzerne, all das wären demokratiefreundliche Vorschriften. Doch außer in wohlfeilen Sonntagsreden ist hier zu Lande von Transparenz in der Wirtschaftspolitik nichts zu hören. Das ist schlimmer, als es die meisten Fusionen sind. REINER METZGER