Der Derbste

Reims, Beats und Bass: HipHop in Reinform zeigen heute Abend „Dynamite Deluxe“  ■ Von Eberhard Spohd

Beat. Im Viervierteltakt schnarrt die Hihat los. Bass. Wie tief kann er denn noch gehen? Rap. Silbenabfolgen schnurren binnengereimt über das musikalische Fundament, das der Mischer gelegt hat. Scratch. Blow shit up. Im deutschen HipHop wurde eine neue Stufe gezündet.

Das war zu erwarten, denn in Hamburg, nein, in Eimsbush wohnt einer, der schon auf allen namhaften Veröffentlichungen sein Revier markiert hat. Ich bin der Beste, sagt Samy Deluxe jedem, der hören will. Heute Abend stellt der selbsternannte Wickeda MC zusammen mit seiner Crew Dynamite Deluxe sein erstes Album vor. Grund genug für alle Rapper im Land, sich warm anzuziehen.

Man kann Samy fragen, wer seine musikalischen Vorbilder sind. Aber ungeschickt darf man nicht formulieren: Auf ein unverfängliches „Wen findest Du gut?“ kommt die Antwort wie aus der Reimkanone geschossen: „Mich!“ Das zeugt von Selbstbewusstsein. Und davon, dass da jemand weiß, wo seine Stärken liegen. Und dass er sie ausspielt. Immer, überall.

Darum drehen sich die Texte auf der Debüt-LP Deluxe Soundsys-tem fast nur um eins: Die eigenen Fähigkeiten zu preisen, die eigene Geschichte offen zu legen, einen Standpunkt klarzumachen. Solange, bis auch der letzte potenzielle Konkurrent begriffen hat: Da ist einer, mit dem man sich besser nicht misst. Auch wenn nicht jeder Text eine Eins-zu-eins-Übertragung ist: „Klar nehme ich in den Texten verschiedene Identitäten an, das macht ja gerade den Reiz aus.“ Nicht jede angeberische Figur spiegelt Samy wider. Wenn man als Rapper die Klischees gleich mitdenkt, wird man auf viel angenehmere Art sarkastisch.

Denn Samy kommt genau aus der entgegengesetzten Richtung. „Früher habe ich immer Texte geschrieben über bestimmte Themen.“ Das ging gut, bis er die Jams für sich entdeckte und erkannte, dass HipHop sein Ding ist. Aber um in einem Battle zu bestehen, bei dem es da-rum geht, besser zu rappen, sprayen, DJayen als alle anderen, gibt es nur eins: Immer wieder die eigenen Qualitäten zu preisen. Auf dem nächsten Tonträger soll das aber anders werden. Die Verhältnisse sind geklärt. Bald kennt jeder DJ Dynamite, den Mixer namens Tropf und natürlich Samy. „Ab jetzt muss ich keine ganzen Texte mehr über mich schreiben. Ab jetzt genügt ein einzelnes Statement.“

Jetzt kann es auch um andere Inhalte gehen. Zum Beispiel darum, wie es ist, „als optischer Ausländer in Deutschland zu leben“. Jeder hält ihn gleich für einen Dealer, wenn er mit dem Handy am Ohr durch den Schanzenpark geht. Überhaupt das deutsche Ding. Da sind die Kids stolz darauf, dass endlich jemand die deutsche Sprache zum Fließen bringt. Mit tiefer Stimme die Silben so akzentuiert, dass man sich dazu bewegen kann. Das kann Samy Deluxe nicht leiden: „Ich mag Deutschland nicht.“ Deutschen Hip-Hop hält Samy darum für einen Widerspruch. Die Musik hat ihre Ursprünge nicht in diesem Land und man kann sie nur verstehen, wenn man die Entwicklung begriffen hat und Teil dieses Vorgangs ist. Hip-Hop in seiner puren Form, das ist es, was Dynamite Deluxe machen wollen. Da passt es ganz gut, dass die üblichen Features auf Dynamite Soundsystem nicht vorkommen. Bo von den Fünf Sternen spricht ein Intro, Dendemann von Eins, Zwo eine Überleitung, Falk von Doppelkopf wird gesampelt. Nur der auch demnächst mit einem Album durchstartende Patrice darf neben dem Maes-tro ganze Strophen übernehmen. „Wir hatten nicht das Gefühl, zurückzufeaturen müssen.“ Nur der, der die Unterstützung braucht, kommt vor. Der die eigenen Stile noch erweitern kann mit seinem Reggae-Style. „Es kann sein, dass ich auch irgendwann einmal anfange zu singen,“ wie Samy es schon jetzt in den Hooklines manchmal macht. Die Reggae-Einflüsse könnten noch stärker werden, Soul oder R&B-Elemente könnten noch dazukommen. „Wenn einer so etwas hier machen kann, dann traue ich das Eißfeldt a.k.a. Jan Delay zu“, urteilt Samy Deluxe. Oder sich selbst.

Das wäre dann aber ein ganz anderes Projekt und nicht mehr Dynamite Deluxe. Jetzt wird aber erst einmal mit Tropf und DJ Dynamite weitergearbeitet, auf die nächste Veröffentlichung hin. Moment mal: Die erste Platte ist noch nicht erschienen, da steht schon das Konzept für nächste. Wie sieht es denn mit ein wenig Urlaub und Entspannung aus? „Jetzt gehen wir zunächst auf Tour, und dann beginnt die Arbeit an der nächsten Platte.“ Das Zeug muss schnell raus. Text für Text, Scratch für Scratch, Bass für Bass, Beat für Beat. Auch die nächste Stufe will gezündet sein.

heute, 21 Uhr, Große Freiheit