Böse Vorwürfe

Cover für die Onkelz: Ein Schweizer Grafiker unterstellt dem Berliner Verlag „Die Gestalten“ für Nazis zu arbeiten

So schnell kann's gehen. Gestern noch ein respektierter Verlagsleiter aus dem alternativen bis linken Spektrum, heute schon ein Nazi. Robert Klanten sieht sich als „Mobbing-Opfer“, seit aus der Schweiz über Internet, E-Mails und Briefe verbreitet wurde, sein im Prenzlauer Berg ansässiger Verlag „Die Gestalten“ würde für Nazis arbeiten. Vor allem wird anonym zum Boykott eines Buchprojektes des Verlags über die Schweizer Gestalter- und Designerszene aufgerufen. Das Zustandekommen des Buches droht nun zu scheitern.

Der Anlass: Die Agentur „Die Gestalten Grafik“ hat die Gestaltung der Cover und des Werbematerials für die aktuelle Single und das kommende Album der Böhsen Onkelz übernommen. Klanten legt nun Wert darauf, dass die Grafikagentur und der Verlag zwei rechtlich voneinander unabhängige Firmen sind.

Die befreundeten Grafiker hätten den Auftrag zwar mit seiner Billigung, aber schlussendlich von sich aus angenommen. „Ich bin bestimmt kein Onkelz-Freund“, sagt Klanten und führt an, dass er selbst vor fünfzehn Jahren „vor einer Punkdisco von Böhse-Onkelz-Fans, allesamt Skins, fast totgeschlagen“ wurde. Doch nun: „Fakt ist, es ist 2000, die Onkelz sind keine Nazis.“

„Die Gestalten Grafik“ hat den Auftrag nicht aus heiterem Himmel übernommen: Agenturchef Markus Hollmann-Loges kennt Ober-Onkel Stephan Weidner „seit dreizehn Jahren“ und ist gut befreundet mit dem Onkelz-Biografen Edmund Hartsch. „Ich habe mir genau angeguckt, was auf den Konzerten passiert“, sagt Hollmann-Loges. Den Auftrag habe man auch deswegen übernommen, „um den rechtsradikalen Hohlköpfen das Gegenteil zu beweisen“. In der Schweiz aber sind, so der Vorwurf von Klanten und Hollmann-Loges, die altbekannten linken Synapsen eingerastet. Als Urheber der Kampagne gegen „Die Gestalten“ und ihr Buchprojekt haben sie den Züricher Grafiker Daniel von Rüti identifiziert. Der hat sich die Internet-Domain www.die-gestalten.com gesichert, wo er zum Boykott des „Gestalten“-Buches aufruft und meint, die Covergestaltung der aktuellen Single „Dunkler Ort“ zeuge davon, dass „Die Gestalten“ „nicht nur einen schlechten Geschmack“ haben. Am Telefon gibt sich von Rüti ahnungslos: „Das ist keine Kampagne.“ Er habe nur die Website ins Netz gestellt, wüsste aber nichts von Mails oder Briefen. „Ich will nur nicht mit Leuten zusammenarbeiten, die mit den Onkelz arbeiten“, so von Rüti.

„Die Gestalten“ sagen, die erste im Dezember aufgetauchte E-Mail sei eindeutig zu von Rüti zurückzuverfolgen. Außerdem habe er vor Zeugen zugegeben, die Mails verfasst und verschickt zu haben. Die Anwälte sind in Stellung gebracht. Klanten und Hollmann-Loges werfen von Rüti vor, der auch in der Schweiz bislang eher unbekannte Grafiker wolle sich über die Aktion profilieren. Tatsächlich sollte von Rüti weder in der Anthologie der „Gestalten“ noch in einem momentan ebenfalls in Vorbereitung befindlichen zweiten Buchprojekt zur Schweizer Gestalter-Szene namens „benzin“ auftauchen, auf das er auf der besagten Website hinweist. Dieser Link auf von Rütis Site ist „nicht in unserem Sinne“, so Ralf Michel, einer der „benzin“-Herausgeber, die aus dem Umfeld der renommierten Züricher Architektur- und Design-Zeitschrift „Hochparterre“ stammen.

Sowohl „Gestalten Grafik“, die unter anderem das Schwulenmagazin Sergej layouten, als auch der „Gestalten Verlag“, der mit Büchern über Flyer bekannt wurde, sei klar gewesen, so Hollmann-Loges, „dass wir uns manche Tür verschließen. Wir haben mit Auswirkungen gerechnet, aber nicht in dieser diffamierenden Art und Weise“. Jetzt wolle man abwarten, wie die von Rüti angemailten Designer auf die Gegendarstellung der „Gestalten“ reagieren. Auch von Rüti hat versprochen, diese auf seiner Website zugänglich zu machen. Schließlich wolle er nur „eine Diskussion führen“.

THOMAS WINKLER