Therapiestunden statt Geldstrafe

Schläger könnten als Bewährungsauflage Täterkurs machen. Doch die Gerichte vermitteln zu wenige Männer

Als das Berliner Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt (BIG) vor 5 Jahren erstmals seine Konzeption vorstellte, interessierte sich die Öffentlichkeit vor allem für eins: Das Projekt wollte Männer, die ihre Frauen misshandelt haben und deshalb zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden sind, zwangsweise zu einem „sozialen Trainingskurs“ schicken.

Die RichterInnen, so war es geplant, sollten den Schlägern den Kurs als Bewährungsauflage statt eines Geldbetrages oder einer anderen Wiedergutmachung verordnen. Träger der Kurse sollte die Männerberatungsstelle Mannege in Mitte sein, die schon seit Jahren Täterkurse anbietet.

Einige Feministinnen empörten sich: BIG müsse vorrangig den Opfern Perspektiven bieten, statt Tätern zu helfen. Boulevard-Zeitungen geiferten und malten die Therapiesitzungen der „Frauenschänder“ in grellsten Farben aus. Doch zu solchen Sitzungen kam es erst gar nicht. BIG konnte die Kurse nicht anbieten. Denn die Gerichte übermittelten der Beratungsstelle zu wenige Täter für die zwei geplanten Modellkurse mit jeweils sechs Männern.

In einer Millionenstadt wie Berlin ist dieser Tätermangel leider eigentlich kaum vorstellbar. ExpertInnen gehen davon aus, dass jede dritte Frau schon einmal in ihrem Leben männliche Gewalt erfahren hat. Laut Angaben der Justizverwaltung wurden 67 Männer im Zeitraum Oktober 1998 bis Oktober 1999 im Bereich häuslicher Gewalt zu Freiheitsstrafen mit Bewährung verurteilt.

BIG-Mitarbeiterin Ines Meyer sagt zwar, dass nicht alle Täter für das Projekt geeignet seien. Alkoholiker oder Männer mit psychischen Störungen würden herausfallen, weil sie für gruppendynamische Prozesse nicht geeignet seien. Doch der Hauptgrund liegt darin, dass die RichterInnen statt der neuen Bewährungsauflage herkömmliche Auflagen verhängen.

An mangelnder Aufklärung kann das nicht liegen: „Wir haben sämtliche RichterInnen und StaatsanwältInnen mit einer Informationsbroschüre unterrichtet“, betont Meyer. Auch Fortbildungen habe es gegeben.

Amtsrichterin Karin Miller meint, dass die RichterInnen die neue Möglichkeit der Bewährungsauflage noch nicht verinnerlicht hätten. Jeden Tag landeten „Papierberge“ auf den Schreibtischen. Viele hätten die Broschüre daher gar nicht registriert. RichterInnen, die sich auf das Thema häusliche Gewalt spezialisiert haben, gebe es nicht. Dennoch hält die Richterin den Ansatz des BIG für sehr sinnvoll. „Es nützt nichts, die Männer ins Gefängnis zu sperren, denn dort ändern sich die Verhaltensmuster nicht“, so die Richterin.

Auch Renate Haase, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Deutscher BewährungshelferInnen, bestätigt: „Ein solcher Kurs nützt mehr als Knast.“ Jedoch liege es in der richterlichen Unabhängigkeit, die Auflage zu beschließen. Die BewährungshelferInnen können nur auf die Maßnahmen aufmerksam machen.

Weil zu wenige Täter, nämlich nur drei, vom Gericht geschickt wurden, konnte Mannege die 40.000 Mark an Lottomitteln, die für das Modellprojekt bereitstanden, nicht abrufen. Die Kosten für die drei Täter hat die Justizverwaltung individuell übernommen. Die Verurteilten stiegen in einen der bisher noch regelmäßig stattfindenden Mannege-Kurse ein. Für dieses Jahr hat die Justizverwaltung für Täterkurse kein Geld eingeplant.

Julia Naumann

Zitat:

AMTSRICHTERIN KARIN MILLER:

Es nützt nichts, schlagende Männer insGefängnis zu sperren, denn dort ändern sichihre Verhaltensmuster nicht