k.o. im kosmetik-kosmos von JUTTA HEESS
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Wenn ich samstags morgens die Jeans schnell wieder aus- und die Schlafanzughose noch mal anziehe, dann kann das eigentlich nur zwei Gründe haben: Kater oder Erkältung. Und mich hatte es voll erwischt. Frostig geschüttelt suchte ich Deckung im Bett und lieh das Bettzeug der Mitbewohnerin als Zusatzmunition. So verkrochen fror ich einen halben Tag lang und fieberte vor mich hin. Bei einem Zwischenstopp im Bad fiel mein glasiger Blick auf eine Flasche mit grünem Inhalt: Erkältungslinderungsbad, stand da drauf. Nichts wie rein in die Wanne, erst das Zeug, ich hinterher, vielleicht hilft’s.

In Wasserdampfschwaden gehüllt, waberte es durch meinen Kopf: Wieso eigentlich Erkältungslinderungsbad? Es heißt ja auch nicht Zahnputzpasta. Ab sofort sage ich: Gib mir mal den Korkenrauszieher, der liegt auf dem Kühlmachschrank. Oder: Hast du meine Gesichtsdraufschmiercreme leer gemacht? Apropos sprachliche Verirrung. Hier steht: „für trockene“, und da: „gegen fettige Haut“. Für oder gegen? Pro und contra! Nur nicht zu dick auftragen. Und was soll das hier? „Mischhaut“? Mich haut nix um! Es sei denn, ein Mitesser hat sich eingemischt. Dann aber Vorsicht, keine leeren Versprechungen beim Bäcker: „Ich hätte gern eine Mischhaut ... äh, ein Mischbrot, sag ich doch.“ Weiter geht’s, das Haarspray verspricht „flexiblen Halt“. Das ist die Dialektik der Aufsprayung, aber die bangen Fragen bleiben trotzdem: Hält die Frisur? Und bleibt das Haar dennoch geschmeidig? Was passiert bloß in Rom, wenn die Sonne brennt? Das Kontrastprogramm am Wannenrand ist hartnäckig: „Diese Spülung enthält angeblich flüssige Haarbausteine.“ Klingt wenig vertrauenserweckend nach Waschzwang, da kann man sich gleich Backsteine aufs Hirn brettern. Aber, man lernt nie aus, das Produkt ist „für normales Haar ideal geeignet“ – normal, ideal, total! Fatal ist das! Genau wie das auf der Zahnpastatube: „Rundumschutz“. Hoppla! Rundum zufriedene Zähne mit Rundumschlagschutz aus dem Schutzumschlag? Rundumschutz, das glaubt doch kein Mensch mehr. Aber die klügere Zahnbürste gibt nach. Und wie gut, dass das Waschgel „verwöhnt, ohne zu reizen“. Mit Haut und Haaren im Fieberwahn liege ich darnieder. Mein Kopf brummt, betäubt von ätherischen Ölen und Eukalyptus, erschlagen vom Sprach-Stuss wahnsinniere ich im Kosmetik-Kosmos. Das ist die Verhexung des Verstandes durch die Mittel unserer Sprache – wusste schon Wittgenstein, der diese Erkenntnis bestimmt auch gewann, als er einst im kochenden Erkältungslinderungsbad schmorte.

„Bist du bald fertig? Ich muss mal.“ Creme over! Gewaltsam aus dem Delirium gerissen, schleppte ich mich wieder ins Bett, deckte mich zu, zweilagig, wie das Toilettenpapier. Nahm mir fest vor, das Badewannen- und Kuriositätenzimmer zu entrümpeln. Wenn ich wieder gesund bin. Oder noch besser: die Kosmetikindustrie übernimmt eigenhändig die Sprachmüll-Entsorgung. Aber bitte nicht an den schwächeren Tagen. Und nicht am Samstagmorgen – wenn ich die Jeans aus- und die Schlafanzughose noch mal angezogen habe.