vorlauf
: Der kompatible Schluchzer

„Legenden: Roy Black“

(21.45 Uhr, ARD)

Gerd Höllerich wollte eigentlich ein Jünger von Elvis Presley und Roy Orbison sein. In Augsburg, mit einer kleinen Band, hatte er mit Rock ’n’ Roll sogar Erfolg. Dann sah ihn ein Scout der größten Plattenfirma der Bundesrepublik, nahm ihn unter Vertrag und machte aus ihm – Roy Black. Und der wurde binnen weniger Monate mit Titeln „Ich denk an dich“ und „Ganz in weiß“ der bis dahin erfolgreichste deutschsprachige Schlager-, also Popsänger. 1991 starb der Mann, der musikalisch gesehen eher in der Italoschnulzentradition als in einer, die mit Humtata nur unzulänglich beschrieben ist. Er hatte am Ende mit der RTL-Serie „Ein Schloss am Wörthersee“ wieder Erfolg. Dazwischen lagen, sagen wir: Durststrecken.

Schon 1973 war Black nicht mehr der absolute Star, der selbst einen John Lennon in den Anbetungscharts hinter sich ließ. Für den Auftaktbeitrag der ARD-Reihe „Legenden“ hat Roland May ein schönes, brutales, warmherziges Porträt angefertigt. Zu Wort kommen lässt er viele derjenigen, die Roy Black auch (noch) kannten, als er soff wie ein Loch. Uschi Glas, sein Manager, seine Agentin, Mutter („Mir wäre lieber gewesen, der Bub hätte etwas Anständiges gelernt“) und Vater, ehemalige Bandmitglieder: Irgendwie scheinen sie noch heute darum zu barmen, dass der Augsburger immer darunter litt, im öffentlichen Ansehen (also nicht das der Bravo-Leser) „nur“ ein Schnulzier zu sein, der viel lieber Blues und Rock ’n’ Roll gesungen hätte. Nie hatte er, so Uschi Glas, Selbstbewusstsein genug, stolz darauf zu sein, über eben diese Stimme mit dem zwerchfellkompatiblen Schluchzer zu verfügen, die eine halbe Frauengeneration verrückt und eine halbe Männergeneration neidisch gemacht hat.

Glücklicherweise verzichtet der Autor auf jedes süffisante Kommentieren und lässt die Geschichte für sich sprechen. Das ist der Unterschied zu ähnlichen Beiträgen – beispielsweise aus der „Spiegel-TV“-Werkstatt. May verzichtet auf das dünkelhafte Verständnis für einen, der vor dem Comeback bei RTL über jedes Schützenfest tingelte und körperlich aufquoll wie ein Stück Hefe. Das also ist gelungen, weil es auch ein Stück Zeitgeschichte der Bundesrepublik ist. JAN FEDDERSEN