BLAIR UND CLINTON AGIEREN SCHEINHEILIG. SIE WOLLEN GENKOMMERZ
: Patente auf Leben

Bill Clinton und Tony Blair haben angekündigt, die Daten über das entschlüsselte menschliche Genom müssten weltweit frei verfügbar gemacht werden. Das klingt ja wirklich wunderbar. Fast könnte man meinen, die beiden Regierungschefs hätten sich von der weltweiten Allianz der Patentgegner überzeugen lassen, die unter dem Motto „Kein Patent auf Leben“ zusammengeschlossen sind. Weit gefehlt: Das Recht auf Patentierung soll, so heißt es ausdrücklich, mit der gemeinsamen Initiative nicht eingeschränkt werden.

 Inzwischen sind sich die Gentech-Industrie und die Politiker einig, dass die Rohdaten der menschlichen Erbsubstanz nicht patentfähig sind. Warum auch? Denn allein mit dem Wissen über die Gene haben die Firmen noch kein verkäufliches Produkt in der Hand. Und bis dahin ist es dann noch ein weiter Weg. So sind in der Vergangenheit eine ganze Reihe von einst erfolgsversprechenden Gentech-Medikamenten in den klinischen Studien gescheitert. Nur wenige haben den Weg in die Apotheke tatsächlich geschafft.

 Patentrechtlich interessant ist nicht das Genom als solches – sondern seine ökonomische Verwertung. Und die ist unverändert möglich. Wird durch die Kenntnis einer Gensequenz ein Medikament oder eine Therapie entwickelt, dann wird per Patent für zwanzig Jahre ein exklusives Verwertungsrecht für das Gen einräumt – nicht nur für das Medikament. Alles Gerede, dass das menschliche Genom zum gemeinsamen Erbe der Menschheit gehört, ist nur Augenwischerei. Clinton und Blair hatten nie die Absicht, die rechtlichen Grundlage für Genpatente abzuschaffen. Es geht ihnen nur um einen möglichst schnellen und freien Zugang zu den Rohdaten über das menschliche Genom.

 Und dann ist da noch ein kleiner, aber wesentlicher Unterschied zwischen dem US-amerikanischen und dem europäischen Patentrecht: In den USA haben Industriefirmen auch nach der Veröffentlichung der Daten noch ein Jahr Zeit, ein Patent anzumelden. Zeit genug, um herauszufinden, welche Funktion das Gen hat und ob es sich lohnt, einen Patentantrag zu stellen. In Europa ist das nicht der Fall. Mit der Veröffentlichung des Genalphabets ist auch das Patent hinfällig.

 Wenn verhindert werden soll, dass Privatfirmen ein exklusives Verwertungsrecht für menschliche Gene bekommen dürfen, dann muss das Patentrecht geändert werden. Gensequenzen müssen ausnahmslos aus dem Schutzbereich des Patentrechtes herausgenommen werden. Warum nur werden die Patente nicht auf die Medikamente beschränkt? WOLFGANG LÖHR