Halbe Bußen für Zementkartell

Das Europäische Gericht reduziert die durch die EU-Kommission verhängten Strafgelder wegen Verfahrensfehlern: Die Absprachen seien nicht immer nachgewiesen

FREIBURG taz ■ Nach einem Mammutprozess sind die Geldbußen gegen das europäische Zementkartell gestern deutlich reduziert worden. Das Europäische Gericht erster Instanz (EuG) veringerte gestern die Gesamtstrafe von rund 475 Millionen Mark auf etwa 220 Millionen Mark. Die Geldbußen waren 1994 nach einem Aufsehen erregenden Verfahren von der EU-Kommission gegen 33 Unternehmen und neun Unternehmensverbände verhängt worden.

Das Kartell soll von 1983 bis 1992 bestanden haben und sich auf die „Respektierung der Inlandsmärkte“ geeinigt haben.

Die Kommission war auf die Absprachen aufmerksam geworden, weil die Zementpreise von Land zu Land, selbst bei angrenzenden Regionen, stark voneinander abwichen. Dies gilt bei Wettbewerbsexperten als Indiz dafür, dass Quoten festgelegt und Gebietsabsprachen getroffen wurden. Auch vier deutsche Unternehmen sowie der Bundesverband der deutschen Zementindustrie sollen an dem Kartell beteiligt gewesen sein.

Als fast alle betroffenen Unternehmen und Verbände Klage einlegten, geriet das EuG an den Rand seiner Kapazitäten. Es wurden Schriftsätze mit insgesamt 8.000 Seiten (ohne Anlagen) eingereicht, die zu prüfenden Akten der Kommission umfassten weitere 25.000 Seiten. Kein Wunder, dass nun auch das Urteil einen Umfang von 1.200 Seiten hat.

Für die Zementindustrie hat sich der Aufwand gelohnt. Bei fünf Unternehmen konnte die Beteiligung am Kartell nicht ausreichend belegt werden – mit dabei die beiden deutschen Zementhersteller Nordcement und Alsen Breitenberg, die sich inzwischen in der Alsen AG zusammengeschlossen haben.

Bei allen anderen Unternehmen wurden die Geldbußen spürbar reduziert, weil die Richter eine kürzere Teilnahme am Kartell annahmen als die Kommission. So müssen die Heidelberger Zement AG und die Dyckerhoff AG nur noch je 14 Millionen Mark bezahlen. Aufgrund eines Verfahrensfehlers der Kommission ging auch der deutsche Zementverband straffrei aus.

Immer wieder hat auch das deutsche Kartellamt versucht, nationale Kartelle aufzubrechen. Erst im Vorjahr verhängte die deutsche Wettbewerbsbehörde Geldbußen in Höhe von 300 Millionen Mark. Das europäische Verfahren hat die Branche offensichtlich nicht eingeschüchtert.

Die EU-Kommission hat nun zwei Monate Zeit zu überlegen, ob sie in die nächste Instanz, zum Europäischen Gerichtshof (EuGH), gehen will. (Az.: T-25-95 u. a.) CHRISTIAN RATH