Aufreger der Nation?

Die Erregung über die Spendenaffären wird im Bundestag nur noch rituell inszeniert. Das zeigte sich auch beim gestrigen Schlagabtausch zu Kohls jüngster Sammelaktion

BERLIN taz ■ Auch die im Bundestag vertretenen Fraktionen sind inzwischen genervt von der CDU-Spendenaffäre. So offen würde es keiner der Beteiligten im Regierungs- wie Oppositionslager formulieren, doch die gestrige Auseinandersetzung im Parlament lässt kaum einen anderen Schluss zu.

SPD-Politiker artikulierten ihre „Bestürzung“ und CDU-Abgeordnete sprachen von einer „Hetzkampagne“ gegen ihre Partei, doch konnte keine Seite so recht verhehlen, dass die moralische Empörung vorgetäuscht und der Gegenangriff nur pflichtschuldig war. Damit fand im Bundestag eine Tendenz ihren Niederschlag, für die es auch in der Gesellschaft Anzeichen gibt: Die Spendenaffäre beginnt ihren Charakter als Aufreger der Nation zu verlieren.

Politisch profitiert davon natürlich die Union. Den Anlass bot ihr paradoxerweise die SPD. Ihre Fraktion hatte die Aktuelle Stunde beantragt, die angebliche „bundespolitische Auswirkungen“ der jüngsten Spendensammlung von Ex-Kanzler Helmut Kohl behandeln sollte. Bereits im Vorfeld der Debatte hatte die Union bestritten, dass das Thema in den Bundestag gehöre. Kohls Verhalten sei ein völlig legaler und normaler Vorgang, wiederholte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Hans-Peter Repnik, im Plenum.

Wer die Auseinandersetzung im Parlament scheue, konterte Repniks Widerpart in der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, „hat in der Sache etwas zu verbergen“. Doch die Redner von SPD und Grünen leisteten unfreiwillig Repniks Argument Vorschub, indem sie sich nicht an das selbstgewählte Thema der Aktuellen Stunde hielten. Lieber als Kohls jüngste Sammelaktion erörterten sie etwa ein mögliches Abdriften der CDU-Ausländerpolitik nach rechts.

Der einzige konkrete Vorwurf im Zusammenhang mit den 6,3 Millionen Mark Spenden der 30 Kohl-Unterstützer kam in Frageform: Hätten sich die auffallend vielen Spender aus der Wirtschaft womöglich für etwas erkenntlich zeigen wollen, fragte Wilhelm Schmidt. „Schäbig“, „unfair“, „ehrenrührig“ schallte es aus der CDU zurück.

PATRIK SCHWARZ