Hotte, der Buhmann

Jahr für Jahr wird Horst Porath als kleinkarierter Spielverderber dargestellt. Dabei will der Baustadtrat nichts anderes, als den Tiergarten vor der Love Parade zu schützen. Weil der Sozialdemokrat von Anfang an wusste, dass es „ein steiniger Weg“ wird, kann er mit Niederlagen leben

von BARBARA BOLLWAHNDE PAEZ CASANOVA

Der Mann hat seine Prinzipien. Der Bitte des Fotografen, dort Platz zu nehmen, wo der Lichteinfall am besten ist, kommt er nicht nach. Horst Porath hat einen Stammplatz in seinem Büro. Der befindet sich an der Stirnseite des Konferenztisches. Und den gibt er nicht auf. Schon gar nicht für ein Foto.

Seit über zehn Jahren ist „Hotte“ Porath Baustadtrat in Tiergarten. Auch seine Arbeit ist geprägt von Prinzipienfestigkeit. Seit er sich mit 22 Jahren das erste Mal mit einem Sanierungsgebiet in Moabit beschäftigt hat, hat ihn das Thema nicht mehr losgelassen. „Ich fand die damalige Vorgehensweise, die Bürger nicht mehr mit einzubeziehen, zum Kotzen“, erzählt er. Deshalb ist er besonders stolz, „die Bürgerbeteiligung auf einen guten und sicheren Weg gebracht zu haben“.

Als der Sozialdemokrat seinen Posten antrat, galt Tiergarten als „Ende der freien Welt“, wie er es nennt, „wohin es keinen Investor verschlug“. Längst ist der Bezirk, der mit 13,4 Quadratkilometer Fläche zu den „kleinen“ der Stadt zählt, ins Zentrum gerückt: Bundesregierung, Potsdamer Platz, Investoren mit Büro- und Gewerbeprojekten. Die Folge: Seit 1992 wurden über 8.000 Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt, unaufhaltsam ziehen Bewohner weg.

Seitdem mehr und mehr Veranstalter den Tiergarten als Event-Ort entdecken, hat Porath neben seinem Kampf gegen Spekulanten, die er gnadenlos mit Bußgeldern belegt, eine zweite „Kampfaufgabe“ für sich ausgemacht: den Schutz des Tiergartens vor der Love Parade. Unermüdlich weist er auf die irreparablen Schäden für Berlins größte Grünanlage hin, die sich nach seinen Angaben auf mittlerweile über eine Million Mark belaufen. Alle Jahre wieder lädt er zur Bilanzpressekonferenz, wo er dezimierte Büsche und Bäume und verschmutzte Gewässer vorführt. Dann erscheinen all die Radiostationen, Fernsehsender und Zeitungen, die am Tag zuvor über das Mega-Event berichtet haben und vermelden die von ihm genannten Schäden.

Während der Senat und Marketinggesellschaften über das Spektakel jubeln, das Millionen Raver und Millionen Mark in die Stadt bringt, stellt sich Porath quer, „für die Sicherung der innerstädtischen Lebensqualität“. Dafür nimmt er in Kauf, als kleinkarierter Spielverderber abgetan zu werden. Während ihm die Veranstalter vorwerfen, sich auf ihre Kosten zu „profilieren“, kritisiert Porath diese als „typische Produkte dieser Geldgesellschaft“.

Auch die Abgeordneten im Senat bekommen ihr Fett weg: „Das sind entscheidungsunwillige Angsthasen, die keinen vernünftigen Abwägungsprozess hinkriegen“. Wirtschaftssenator Wolfang Branoner (CDU), der einem Runden Tisch zu Alternativrouten vorsitzt, wirft Porath „fortwährende Demontage des Großen Tiergartens“ vor. Denn Porath sieht durchaus Ausweichstrecken: zwischen Bismarckstraße und Kaiserdamm in Charlottenburg oder zwischen Holzmarkt- und Mühlenstraße in Friedrichshain.

Seit der Empfehlung für die alte Route steht für ihn fest: „Mir bleibt weiterhin nichts anderes übrig, als meine Stimme für den Tiergarten zu erheben.“ Trotz des mitschwingenden Pathos ist Porath sicher: „Steter Tropfen höhlt den Stein.“ Dass auch jetzt alles darauf hindeutet, dass die Love Parade wieder durch den Tiergarten geht, sieht Porath keineswegs als Niederlage. Denn: „Ich wusste, dass es ein langer und steiniger Weg wird.“ Viele hätten ihn gewarnt, „etwas dagegen zu sagen“. Doch der Buhmann der Techno-Nation will nicht „mit populistischer Politik auf den Zeitgeist setzen“. Eigentlich müsste sich der Sozialdemokrat bestens auskennen mit scheinbar unauflösbaren Gegensätzen. Porath, der mit 17 Jahren als „unpolitischer Mensch“ zur Polizei ging, war bis 1989 Polizeihauptkommissar bei der Schutzpolizei und fungierte als Verbindungspolizist zur Demoleitung bei fast allen größeren Demonstrationen in Westberlin. Zudem war er Mitbegründer der „Gruppe 47“, die als „Psychobullen“ die Studentenproteste mit „Diskussionseinheiten“ zu entschärfen suchten. Doch bei der Planetcom GmbH, dem Veranstalter der Love Parade, stößt er auf wirklich unlösbare Widersprüche. Die einen meinen, „Kulturwerte“ auf die Straße zu bringen. Der andere sieht darin „die Profitgier über die Gemeinschaft gestellt“.

Manchmal überkommt Porath „eine gewisse Niedergeschlagenheit“. Dann helfen ihm neben seiner „Grundüberzeugung“ Gespräche mit Freunden, Bekannten und Fachleuten – „Rückkoppelung zwischen Privatem und Politik“ – oder „eine Gerstenkaltschale“ in seiner Moabiter Stammkneipe.

Auch dieses Jahr wird sich Porath erneut unter die Raver mischen. Tagelanges Kopfdröhnen nimmt er in Kauf, um den „bitteren Augenblick“ zu erleben, in dem die von ihm prognostizierten Schäden „auf böse Art Realität geworden sind“. Als sei er sadomasochistisch veranlagt, „spornt“ ihn „der Schmerz“ an, „weiter am Ball zu bleiben“.

Poraths Beharrlichkeit trägt erste Früchte: Ende Februar hat sich erstmals die Bezirksverordnetenversammlung Tiergarten einstimmig gegen die Tiergarten-Route ausgesprochen (siehe Kasten). Doch die Früchte sind noch nicht reif. An der Route wird sich aller Voraussicht nach nichts ändern. Aber Poraths Kampf ist auf lange Sicht angelegt: „Das ist nur eine Frage der Zeit.“

Auch privat hält er es mit Beständigkeit. Seit seiner Geburt wohnt er in Moabit, von seinem Büro aus kann er fast seine Wohnung sehen. Seit zwanzig Jahren fährt er in den gleichen Ort in Österreich zum Skiurlaub. Auch die Marke seines Pfeifentabaks hat er in den zwanzig Jahren, in denen er Pfeife raucht, nicht gewechselt. Beständig ist er ebenso bei seinem Musikgeschmack. Seit er 1965 bei den Rolling Stones in der Waldbühne war, hört er deren Songs. Seit kurzem interessiert sich Porath jedoch zunehmend für Klassik, was ihn zu der Frage verleitet: „Liegt das am Alter?“ Bei der Wahl der Frauen in seinem Leben ist Porath jedoch geradezu „fremdgegangen“. Poraths Ex-Frau, mit der er eine 23-jährige Tochter hat, stammt aus Steglitz, seine jetzige Lebensgefährtin aus Duisburg. „Man ist ja tolerant“, sagt Porath und grinst.