Auch im Urlaub im Dienst

Wer hätt’s gedacht: Der deutsche Justizbeamte ist ein Mann mit besonderen Vorlieben. Dieter Pröbstle aus Ulm etwa sammelt Sterne und ist offizieller Sheriff in den USA

Betritt man das Dienstzimmer von Dieter Pröbstle im Untersuchungsgefängnis von Ulm, sieht man sofort, dass hier jemand Dienst tut, der ganz besondere Vorlieben hat. Eine ganze Reihe von Sheriff-Sternen und Polizeiabzeichen, überwiegend aus den USA, sind zu sehen. Insgesamt“, erzählt Pröbstle, „habe ich mehr als 3.000 Polizeiabzeichen, die meisten stammen aus Amerika. Darunter sind zahlreiche Original-Sheriff-Sterne, kein einziger ist eine Fälschung!“

An der Wand hängen Bilder, die den Beamten in einem amerikanischen Polizeiauto zeigen. Dieter Pröbstle darf die Sheriffsuniform ganz offiziell tragen. Und das kam so: Der Beamte organisiert seit zwölf Jahren ein Austauschprogramm zwischen deutschen und amerikanischen Justizbeamten und Polizisten.

Schon als kleiner Junge spielte er immer „Sheriff“...

Bei den Treffen, die alle zwei Jahre stattfinden, hat er viele Sheriffs, Deputies und Sergants kennengelernt. Mehr als zehn Mal wurden ihm Ehren-Sheriff-Titel verliehen. Aber er ist auch – und zwar gleich in zwei Staaten – offizieller Deputy-Sheriff, „und zwar in Arizona und Oklahoma“. Hier darf der deutsche Justizbeamte offiziell am Polizeidienst teilnehmen, darf Strafzettel ausstellen, Streife fahren und theoretisch Verhaftungen vornehmen. „Verhaftet habe ich noch niemanden, aber Strafzettel habe ich schon verteilt“, berichtet Pröbstle. Seine deutschen Dienstvorgesetzten sind über seine Gastaktivitäten in den USA informiert. In Amerika ist das Amt des Sheriffs ein Wahlamt. Der von den Bürgern gewählte Amtsinhaber bestimmt in Eigenverantwortung seine Deputies, sprich Hilfssheriffs, und einer davon ist eben Dieter Pröbstle. Er musste auf die Verfassung der Staaten, in denen er Dienst tut, einen Eid ableisten.

„Einmal habe ich mit einem amerikanischen Kollegen in der Nähe des Grand Canyon Dienst getan. Wir standen mit dem Streifenwagen am Fahrbahnrand, als ein PKW mit mehr als 85 Meilen vorbeibrauste.“ Die Verfolgung wurde aufgenommen, die Verkehrssünder gestoppt. „Es handelte sich um ein junges Paar aus Möglingen bei Stuttgart“, erzählt der deutsche Beamte, der immer wieder mal im Urlaub in die USA als Sheriff oder Gefängnisaufseher Dienst tut.

„Als mein Kollege sie ansprach, begannen die beiden, ihn auf Schwäbisch zu beschimpfen.“ Pröbstle stieg aus dem Streifenwagen und meinte in breitem Schwäbisch: „Leitle, so goats net!“ Den jungen Leuten verschlug es die Sprache und sie bekamen vom „Sheriff aus Ulm“ einen Strafzettel in Höhe von 250 US-Dollar, den sie prompt beglichen.

Dieter Pröbstle will drüben in den USA nicht den „wilden Mann“ spielen; der Ulmer Justizbeamte ist kein Django, der bei seinen USA-Aufenthalten mal so richtig auftrumpfen will.

... jetzt ermahnt er die Touristen: „So goats net!“

Die Kontaktpflege mit den Kollegen drüben, die Austauschprogramme, das ist der Schwerpunkt. Und eben seine Sammlertätigkeit, die ihm – wie keinem anderen – Tür und Tor geöffnet hat bei den amerikanischen Polizisten. Dass einige deutsche Kollegen über sein eigenwillige Art der Urlaubsgestaltung den Kopf schütteln, stört ihn nicht.

Schon als kleiner Junge war er beim Cowboy- und Indianerspielen immer der Sheriff. Dann sah er als Jugendlicher „Die Straßen von San Francisco“. Und schließlich, Jahrzehnte später, erfüllte sich seinen Traum und er durfte erstmals offiziell in San Francisco Streife fahren und bekam das Abzeichen der Polizei dort feierlich überreicht. „Für so manchen Sheriff-Stern mußte ich eine offizielle Ausfuhrgenehmigung beantragen“ erzählt Pröbstle. „Und beinahe zu jedem Abzeichen und jeder Polizeimütze, die sich in meiner Sammlung befinden, gibt es eine kleine Geschichte.“

Die amerikanischen Kollegen schätzen den Mann aus Germany. Nicht nur im Polizeiauto ist er unterwegs, wenn er im Zwei-Jahre-Turnus nach Amerika kommt, sondern er hat auch schon in verschiedenen Gefängnissen ehrenamtlich Dienst getan – im Jail in Oklahoma zum Beispiel. Er kennt auch St. Quentin und das ehemalige Sing-Sing in New York von innen.

Der Job im Gefängnis ist ihm als Leiter der Vollzugsgeschäftsstelle in der Ulmer Haftanstalt aus jahrelanger Erfahrung bestens vertraut. In New Ulm, Minnesota, wo viele deutschstämmige Ex-Ulmer leben, sind die Beamten aus Good old Germany immer gern gesehene Gäste.

Und Sheriff Dieter Pröbstle gehört als Chief-Organisator natürlich ganz besonders mit dazu. Im April kommen wieder acht amerikanische Kollegen zum Gegenbesuch nach Ulm.

KLAUS WITTMANN