zwischen den rillen
: Im Land, wo die Gitarren glühen: Smashing Pumpkins

KAVERNEN DES WELTSCHMERZES

Eigentlich kann einer Rockband nichts Besseres passieren: Keiner spricht von ihr, gehört wird sie trotzdem, und wenn ein neues Album erscheint, kaufen es alle – heimlich, wie es sich für eine peinliche Lieblingsband gehört. Billy Corgan, der Sänger, Vordenker und Vorturner der Smashing Pumpkins, dürfte damit wenig zufrieden sein. Denn Corgan möchte nicht einfach nur viele Alben verkaufen und Stadien rocken, er möchte auch als großer Künstler und noch größerer Songschreiber in die Rockgeschichte eingehen. Und für ganz viele Generationen sprechen: für X und Y, für die alten Nirvana- und die neuen Pennywise-Fans, aber auch für alle Rock-Renegaten. So sollen die Alben der Smashing Pumpkins nicht einfach nur Rockalben sein, Alternative-Rock-Alben, sondern ganze Universen, in denen auf 75 Minuten große, rührselige Geschichten erzählt werden, manchmal auch gleich die Geschichte der Menschheit.

Das Problem dabei ist nur: Keiner versteht das so richtig. Immer verschwindet Corgan in irgendwelchen Traum- und Märchenwelten, in die ihm keiner folgen kann, wohl nicht mal die eigene Mutter. Selbst wenn er in bedeutungsschweren Weltschmerzkavernen wühlt, kommt die Sache immer eigenartig verschwiemelt rüber: Die Welt ist ein Vampir, klar. Aber: „Emptiness is loneliness, and loneliness is cleanliness, and cleanliness is godliness, and god is empty just like me“ ????

„Machina/The Machines Of God“ ist das fünfte Smashing-Pumpkins-Album im neunten Jahr: 15 Songs, tausend Gitarrenspuren und Corgans Quengelstimme auf allen Kanälen.

Nachdem auf dem letzten Album „Adore“ (genau!) eine Drum-Machine den wegen Drogenabusus rausgeschmissenen Drummer Jimmy Chamberlin ersetzte und die meisten Songs in dunkle Höhlen wegfadeten (was auch seinen Reiz hatte), ist Chamberlin jetzt wieder zurückgekehrt und gibt den Corgan-Songs alten Drive zurück.

Der Wille, sich einzulassen, muss vorhanden sein. Doch schon mit den ersten vier Songs bekommen die Pumpkins wieder alle – die alten und neuen Fans, die, denen es peinlich ist, und die anderen sowieso. Hit folgt auf Hit, schnelle Rockballade auf schnelle Rockballade, Hook auf Hook, Jauchz auf Jauchz. Glücksspender galore, Freudentaumel supreme, da können Bands wie Creed, Blink 182 oder die Bloodhound Gang noch so leidend, forsch oder frech sein – gegen diese Songs haben sie keine Chance. Da macht es dann auch gar nichts, dass man das große Corgansche Ganze einmal mehr aus den Augen verliert. Zeilen wie „You know I’m not dead, I’m just living for myself“ und Sätze über denselben alten Regen, der auf alle gleich herniederprasselt – sie lassen den großen Entwurf mit Gott, den Maschinen und der Liebe gleichsam im Regen stehen.

Das macht aber nichts – ein paar Songs und noch mehr Gitarren später geht alles wieder von vorn los. Da singt Corgan wieder für die kleinen und großen Ewigkeiten und tröstet alle, die ihr Herz an Rock verloren haben, mit Herzschmerzworten wie diesen: „Turning tears into ocean, words into sand“

GERRIT BARTELS

The Smashing Pumpkins: „Machina/ The Machines Of God“ (Virgin)