piwik no script img

Widerstand im braven Atomdorf

Seit im bayerischen Gundremmingen ein Zwischenlager geplant ist, sind die bisherigen Atomfreunde skeptisch geworden. Allerdings nur, was den strahlenden Müll betrifft. Den wollen sie nämlich abschieben: nach Ahaus und Gorleben

von KLAUS WITTMANN

Außenstehende reiben sich die Augen. „Waigel kämpft gegen Atomlager“, meldete die Regionalzeitung aus der bayerischen Atomgemeinde Gundremmingen. Heute will der Ex-Finanzminister an einer Bürgerversammlung teilnehmen und seinen Widerstand gegen das geplante Zwischenlager unterstreichen.

Gundremmingen im Norden von Bayerisch-Schwaben ist eine der reichsten Kommunen im Freistaat Bayern. Auf 5.000 Mark beläuft sich das Pro-Kopf-Guthaben. Zwanzig Gewerbegrundstücke und 100 Mietwohnungen in München nennt die 1.350-Seelen-Gemeinde ihr Eigen. Möglich wurde dies durch das größte deutsche Atomkraftwerk, das hier mit seinen beiden Blöcken B und C seit fünfzehn Jahren Strom produziert und Millionen an Gewerbesteuern eingebracht hat.

Der Widerstand richtet sich gegen ein riesiges Zwischenlager, das die Betreiber RWE und Bayernwerk beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter beantragt haben. „Die sollen doch mir die Kohle geben, dann lagere ich das Zeug in meinem Keller ein“, heißt es in der Dorfkneipe. Und der zweite Bürgermeister einer Nachbargemeinde versichert, „die Castoren, das habe ich selbst gesehen, sind absolut sicher“. Bürgermeister Wolfgang Mayer ist da weitaus skeptischer, zumindest was seine „Amtsmeinung“ angeht. Er fürchtet um die Gewerbeansiedlung. Entsprechend hat er sogar den „sehr geehrten Herrn Bundeskanzler“ informiert, dass das geplante Zwischenlager „nicht ohne Protest“ hingenommen werde. Schließlich seien mit Gorleben und Ahaus bereits zwei genehmigte Zwischenlager vorhanden, „die mit erheblichen Mitteln der Betreiber von Kernenergieanlagen geschaffen wurden“.

Allerdings steht in dem „Beschluss der Regierungschefs von Bund und Ländern zur Entsorgung der Kernkraftwerke“ vom 28. 9. 1979: „Sie (die Regierungschefs) stimmen überein, dass die Errichtung weiterer externer Zwischenlager im Laufe der 90er Jahre notwendig werden kann; sie werden dann alles tun, um die Errichtung weiterer Zwischenlager zu gewährleisten.“

Die „Mahnwache Gundremmingen“ und der Verein „Energiewende atomkraftfreies Schwaben“ kritisieren den scheinbaren Wandel: „Die sehen jetzt, dass es nicht angeht, viel Geld zu kassieren und dann den Müll anderen Leuten aufzuhalsen“, meint Energiewende-Vorstand Raimund Kamm. Erst bei einem Ausstiegsplan und nicht solange man über Laufzeiten ab 30 Jahren spreche, könne man über Zwischenlager diskutieren. Doch genau über solche Laufzeiten spricht der technische Direktor des Werkes, Gerd von Weihe.

Die Atomkraftgegner in der Region sehen sehr wohl, dass es für die Zwischenlager einige plausible Argumente gibt: Die entfallenden Atomtransporte quer durch Deutschland, die wegfallende Wiederaufarbeitung. Dafür drohen bei der Steigerung der elektrischen Leistung von derzeit 1.344 Megawatt pro Block um je 106 Megawatt eine schnellere Materialermüdung und eine stärkere Strahlung. „Das ist der größte Ausbau der Atomenergie in Deutschland seit fünfzehn Jahren“, so Kamm. Christian Küppers vom Ökoinstitut Darmstadt erklärt, dass bei diesem Ausbau das Risiko noch größer sei als beim Neubau eines AKW. Bundesumweltminister Jürgen Trittin teilte mit, dass das beim Bayerischen Umweltministerium anhängige Genehmigungsverfahren „im Rahmen der Bundesaufsicht intensiv verfolgt“ und auch die Reaktorsicherheitskommission des Bundes einbezogen werden solle. Eine öffentliche Anhörung ist nicht geplant. Beim Bayerischen Umweltministerium heißt es nur, die Anträge würden vom TÜV Süd gutachterlich geprüft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen