Freiheit vor dem Mann

Rot-Grün hat das Aufenhaltsrecht für Ausländerinnen geändert. Sie müssen nicht mehr ganz so lange Prügel ertragen, um im Land bleiben zu können
Aus Berlin KARIN NINK

Es hat lange gedauert, bis Hatice Z. (alle Namen geändert) den Mut aufbrachte, ihren Mann zu verlassen. Die Ehe mit dem in Deutschland aufgewachsenen Türken war eine Vernunftsentscheidung. Dass es die Hölle werden würde, hatte Hatice nicht geahnt: Ihr Ehemann Ismail hat sie grün und blau geschlagen, sie zum Analverkehr gezwungen und versucht, sie mit einem Kopfkissen zu ersticken.

Doch die 24-Jährige zögerte lange, ihren Mann zu verlassen und ihn anzuzeigen. Schließlich lebte sie erst seit eineinhalb Jahren in Deutschland und wusste, dass ihr nur als Ehefrau ein Aufenthaltsrecht in Deutschland sicher war. In der Türkei aber fürchtet sie um ihr Leben. Die Verwandten wollen sie nicht haben, weil ihr vierjähriges Kind vorehelich ist.

Die Ehe mit Ismail war arrangiert: Er suchte eine Frau. Ihr wurde ein Mann zugeteilt, um die Schande des unehelichen Kindes zu kaschieren. Er hat diese Ehe als Freibrief verstanden, mit „dieser Hure und ihrem Bankert“ tun und lassen zu können, was er will. Irgendwann hat Hatice es nicht mehr ausgehalten und flüchtete ins Frauenhaus.

Sie wird nun davon profitieren, dass der Bundestag gestern das Aufenthaltsrecht für ausländische Ehegatten neu geregelt hat. Ausländische Frauen haben nun nach zwei Jahren Ehe ein eigenes Aufenthaltsrecht, in Fällen besonderer Härte auch früher. Dass sie auf Sozialhilfe angewiesen sind, ist kein Grund mehr, sie auszuweisen.

Würde Hatices Fall nach dem alten Recht beurteilt, hätte sie vielleicht nur eine Chance, wegen der „außergewöhnlichen Härte“ ihres Falls in Deutschland bleiben zu können. Nun ist es quasi sicher, dass sie auch schon nach eineinhalb Jahren Ehe ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bekommen kann.

Für die Politikerinnen der Regierungskoalition ist diese Änderung unisono ein großer Schritt bei der Verbesserung der Frauenrechte. „Endlich schützt der Staat die Opfer und nicht die Täter“, betonte die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ulla Schmidt machte noch einmal deutlich, wie unterschiedlich bisher in den verschiedenen Bundesländern nach der alten Gesetzeslage Recht gesprochen wurde. „Es gab willkürliche Entscheidungen von Ausländerbehörden und Gerichten. Von Land zu Land wurde unterschiedlich Recht gesprochen“, sagte sie und verwies darauf, dass es nun eine einheitlichere Rechtsprechung geben werde.

In der Tat hatten misshandelte Zuwanderinnen in der Bundesrepublik bisher wenig Chancen. Entweder sie hielten es vier Jahre bei ihren prügelnden Ehemännern aus, oder sie wurden des Landes verwiesen. Die außergewöhnlichen Härten wurden kaum anerkannt.

Eine Umfrage bei Frauenhäusern aus dem Jahr 1997 zeigte, dass von 67 Anträgen auf die Anerkennung eines Härtefalls nur 16 zu Gunsten der Frau entschieden worden sind, 12 davon allein in NRW. Und so spricht es Hohn, dass die Union gestern einen Kompromiss darin sah, mit einer Härtefallregelung an der Vierjahresfrist für den Ehebestand festzuhalten. Die FDPler enthielten sich überwiegend der Stimme, weil sie die Frist nicht auf zwei, sondern nur auf drei Jahre verkürzen wollte. Doch hatten sie im Vorfeld dafür gesorgt, dass künftig Ausländerinnen nicht mehr abgeschoben werden können, weil sie auf Sozialhilfe angewiesen sind. Um Gewalt gegen Frauen insgesamt stärker zu bekämpfen, verabschiedete der Bundestag auch einen „Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen“, bei dem verschiedene Anti-Gewalt-Modelle vernetzt werden sollen. Schließlich ist nach Auskunft des Familienministeriums jede dritte Frau häuslicher Gewalt ausgesetzt.

Hinweis:

Misshandelte Zuwanderinnen hatten bisher wenig Chancen. Entweder sie hielten es vier Jahre bei ihren Ehemännern aus, oder sie wurden des Landes verwiesen. Jetzt bekommen sie nach zwei Jahren ein eigenes Aufenthaltsrecht.