Alles Plastik, oder was?

Unkraut heißt längst Wildkraut oder: Bei der Gestaltung heimischer Natur können Hobbygärtner ganz schön viel falsch machen  ■ Von Kaija Kutter

Am Anfang war der Giersch. Jene langstielige, fächerblättrige, langweilige Pflanze, die meine Tante regelmäßig in den Salat schnibbelt, und die Gartenfreunde von konservativ bis ökorevolutionär wegen ihrer Ausbreitungsfreudigkeit gleichermaßen verfluchen. Giersch wächst in unserem Garten eigentlich überall, und ich hielt es für einen klugen Schachzug, als ich mich mit einer Gartenkralle an den Beetrand setzte und energisch drauf los hackte. Denn die Kinder dachten, ich täte was Wichtiges, und beschäftigten sich mit sich selbst. Erwachsene, die bloß rumstehen und aufpassen, werden zwangsläufig als Spielpartner akquiriert. Deshalb ist Gartenarbeit bei jungen Eltern ungeheuer beliebt.

Aber wie ich so drauf los hackte, kamen Engerlinge, Marienkäfer, blasse Ohrkneifer und allerhand anderes Getier zum Vorschein. Und mein Öko-Gewissen meldete sich zu Wort und fragte: Ist es überhaupt recht, was du hier tust. Noch dazu im Spätwinter, wo die meisten Insekten noch schlafen?

Keine Ahnung, wann der Frühling in diesem Jahr beginnt. Der Giersch allerdings treibt schon seine rosa-weißlichen Knospen. Sieht eigentlich süß aus. Darf ich ihn rausreißen, meine Aggressionen an diesem unschuldigen Stück Natur abreagieren? Vielleicht könnte ein Anruf beim Naturschutzbund (Nabu) mein Handeln legitimieren.

Das Telefonat mit Uwe Westphal vom Nabu stellt allerdings meine bisherigen Vorstellungen von sinnvoller Gartenarbeit auf den Kopf. Gar nichts darf man eigentlich, fast alles ist falsch. „Nur nicht zuviel Ordnung schaffen“, mahnt der Biologe. Abgeschnittene Zweige soll man liegenlassen und nicht schreddern oder gar verbrennen. Berankt mit Klettergewächsen böten solche Reisighaufen im Sommer ein hübsches Bild und eine Kinderstube für Vögel und Kleintiere, weil die Katzen nicht rankommen. Erde soll man nicht umgraben, das bringt das Bodenleben durcheinander. Wohl aber kann man nicht erwünschte „Wildkräuter“ (Unkräuter gibts nicht mehr) mit der Hacke rauslösen oder mit Rasenschnitt, Stroh oder Rindenmulch zudecken. Gar keinen Sinn macht für den Nabu-Fachmann der in Deutschlands Gärten so beliebte „blanke Boden“ rings um erwünschte Kulturpflanzen, das Resultat fleißiger Unkrauthackerei, das in den 60er Jahren gar als „polizeilich verordnet“ galt.

Was mach ich also mit den sechs, sieben Quadratmetern schwarzer Erde, die ich – in mühevoller Kleinarbeit und in dem Bestreben, dem Frühling ein Stück näher zu kommen – bereits von unerwünschtem Pflanzenmaterial befreit habe? Hin zum Baumarkt und winterharte Murmelblumen oder Stiefmütterchen kaufen, die mich dort seit Wochen palettenweise anlächeln? „Das muss man nicht so dogmatisch sehen“, sagt Westphal, hier und da ein Stiefmütterchen, das ist schon okay. Allerdings kauft man die nicht im Baumarkt. Auch sei die Ausstattung des Gartens mit einjährigen Pflanzen, die nach dem Verblühen ausgewechselt werden, „reine Dekoration. Da kann sich keine Lebensgemeinschaft zwischen Pflanzen und Tieren bilden“.

Dauerhafte Sträucher und Stauden sind die bessere Alternative. Allerdings gibt es auch hier zwei Klassen: die der „Exoten“ und die der „heimischen Gewächse“. Und fast alles, was es in hiesigen Gartencentern zu kaufen gibt, ist exotisch. Der beliebte Rhododendron zum Beispiel sei für die hiesige Tierwelt biologisch so uninteressant, „da kann man genausogut Plastik hinstellen“, sagt Westphal. „Auch wenn da ein paar Hummeln dran fliegen, drum herum ist alles tot.“ Auch die als Sichtschutz so beliebten Tuja-Hecken sind laut Westphal „reine Plastikgewächse“, ebenso wie die Forsythie. Sie stammt aus Asien, wie auch der Schmetterlingsbaum, der zwar von Faltern heftig umflogen, von Raupen aber nicht gegessen wird.

Wollen wir den naturnahen Garten, wollen wir unseren Lebensraum mit Insekten, Igeln und Vögeln teilen, müssen wir komplett umdenken. Ein Vorreiter ist Gerhard Flathmann mit seiner Wildstrauch-Gärtnerei im Altonaer Volkspark, der nur heimische Gewächse aus Öko-Anbau vertreibt. 340 verschiedenen Stauden, die auch im März schon eingepflanzt werden können, wenn der Boden weich ist, stehen hier zur Wahl. Wiesenmargerite, Storchenschnabel, Glockenblume – er habe eine Palette, „so bunt wie das Leben“, wirbt der studierte Landschaftsgärtner. Allerdings seien die Blüten nicht so groß wie bei gezüchteten Varianten.

Zurück zum Giersch. So falsch gemacht habe ich das gar nicht. Giersch sei „furchtbar“, den müsse man „wie einen Ölunfall behandeln“, sagt Westphal. Da könne man die Wurzeln schon mal tief ausheben, „solange man nicht den ganzen Garten umgräbt, ist das okay“. Wenn auch das Abdecken mit schwarzer Plastikfolie oder das Gegenpflanzen von Goldnessel und Kartoffel nichts nütze, bliebe nur noch die Alternative, dass man ihm eine Ecke des Gartens überlässt. Westphal: „Dann klappt das meistens irgendwie“.

Zum Thema Garten hat der Nabu eine Broschüre erarbeitet: „Naturschutz ums Haus“ gibts gegen 3 Mark (plus 3 Mark Versandkosten) beim Naturschutzbund Deutschland, Habichtstraße 125, 22307 HH, Tel.: 697 08 90.