Weißt Du wie viel Sternlein stehen?

■ Die Nacht ist viel zu hell: Städterkids sehen kaum noch Sterne und Vögel werden irre bei Lichtstrahlen aus Diskos und Leuchttürmen / Zurück zur Dunkelheit fodern Astronomen

„Schwarz wie die Nacht“ – das war einmal. Denn die Nacht in Bremen ist schon lange nicht mehr dunkel. Ein Lichtkegel legt sich wie eine Käseglocke um die Stadt. Tierschützer und Astronomen sprechen von Lichtverschmutzung und fordern die Rückkehr zur Dunkelheit: Die Straßenbeleuchtung muss geändert werden.

Für Astronomen ist der Himmelsblick über Bremen eher traurig. 200 bis 300 Sterne sieht man bei klarem Wetter. 4.000 wären möglich. „Am Roland sind es noch viel weniger,“ schätzt Dieter Vornholz, Leiter des Bremer Olbers-Planetariums. „Die obere Hälfte der Umwelt – der Himmel – geht uns verloren.“

Vornholz geht es dabei gar nicht um die paar Astronomen, die die deep-sky Objekte sehen wollen. „Es geht um die ganze Bevölkerung: Unser zu Hause – die Milchstraße – kann man in Bremen nicht mehr sehen.“ Auch den Andromedarnebel nicht. Nur noch konserviert im Planetarium. Und da ernten die Astronomen regelmäßig Staunen: „Oh, das ist die Milchstraße? Ist ja toll“, berichtet Andreas Hänel vom Planetarium Osnabrück. Damit verliert man ein Verständnis dafür, wo man eigentlich lebt, klagt Vornholz.

Auch den Tierschützern vom BUND geht die Straßenbeleuchtung gegen die Strich. Statt auf die Straße wird auch in den Himmel gestrahlt. Und im Bannstrahl der hellen Lampen verlieren sich nachtaktive Tiere, meint Michael Abendroth vom Bremer BUND. Völlig fertig vom Tanz im Licht bleiben viele Insekten an der Lampe kleben, nachts geht der Tanz weiter und nach drei Tage spätestens sind die Tiere tot. Betroffen vom Nachtlicht sind möglicherweise auch Fledermäuse.

Auch Vogelschützer fürchten die Lichtstrahlen. Der Leuchtturm auf Helgoland zieht bei trüben Wetter regelmäßig Zugvögel an, erklärt der Ornitologe Ommo Hüppop. „Dann sieht man ganze Schwärme von Nachtdrosseln im Lichtkegel kreisen.“ Wieviele? Vierstellige Zahlen, schätzt Hüppop. Vermutlich werden die Vögel vom Licht abgelenkt, weil sie bei trübem Wetter nicht mehr Sterne und an Landmarken anpeilen könnten. Völlig orientierungslos blieben die Vögel eine Zeit dann auf Helgoland. „Tatsache ist, dass sie nicht weiterziehen.“

Für die Möven sind liegengebliebene Zugvögel oft ein gefundenes Fressen, berichtet Jörg Böning vom Wasser- und Schifffahrtsamt Bremerhaven. Von den Leuchttürmen werde berichtet, dass sich die Möwen mittlerweile auf die lichterschöpften Vögel eingestellt haben, sie jagen und abmurksen. Schlimmer noch als Leuchttürme gelten bei Vogelfreunden die nutzlosen Skybeamer der Diskos.

Richtig dunkel wird es heute nur noch ganz weit draußen, weg von den Städten. „Auf Spiekeroog hatten meine Kinder richtig Angst vor dem Himmel“, erzählt Dieter Vornholz: Angst vor den unendlichen Sternen, dem nachtschwarzen Himmel. In den Städten dagegen sorgen Straßenlampen, Werbetafeln, Flughafen undsoweiter für allzu helle Himmel.

„Licht sehen wir heute immer noch als große Wohltat an“, kritisiert Andreas Hänel. Technisch wären soviel Wattstrahlen gen Himmel allerdings nicht nötig. „Wir wollen deshalb nicht die Straßenbeleuchtung abschaffen – es macht nur keinen Sinn den Himmel anzustrahlen“, ergänzt Dieter Vornholz. Die Lösung: Natrium-Dampflampen. Die sparen nicht nur Energie (75 Prozent), sondern lassen den Himmel dunkel, die Straßen bleiben hell. Und der Strahlungswinkel müsste auf die Straße begrenzt bleiben.

In Bremen hat man mit der Umstellung auf andere Lampentypen schon vor acht Jahren begonnen. Damals hat die swb, ehemals Stadtwerke, zusammen mit dem BUND die insektenumschwärmten Quecksilberdampflampen ausgetauscht und Leuchtstofflampen eingesetzt. Heute gibt es nur noch 1.000 Quecksilberdampflampen unter Kuppeln, berichtet Bernhard Wies von der swb. „Das Projekt Insektenschutz ist schon abgearbeitet“, sagt Wies. Nun ginge es nur noch ans Energiesparen. „Mehr Licht mit weniger Strom,“ will die swb. Statt früher sieben Megawatt Leistung aller eingeschalteten Straßenlampen, sind es heute nur noch fünf Megawatt.

Auch der Wind kommt in Bremen der Dunkelheit zugute. Ohne Wind wäre der Staubanteil der Luft viel größer, erzählt Dieter Vornholz. Sterne würde man dadurch noch weniger sehen. pipe