: Freiheit hinter Gittern
Vergiss Dennis Rodman: Die Nike-Werbung weiß, dass in Wirklichkeit doch Fußball die coolste Sache der Welt ist
Fußball war bis vor kurzem nur die zweite Wahl jugendlicher Straßensportler. Basketball schien einfach besser geeignet für waghalsige Stunts, und es gibt nun mal keine Fußballer, die so punk sind wie Dennis Rodman oder so hiphop wie Shaquille O’Neal. Basketball hat in den 90ern das Rennen gemacht, mit der Aktualität der popkulturellen Zeichen.
Streift man heute durch Kreuzberg, sieht man die Kurze-Haare-Weite-Hosen-Jungs wieder Fußball spielen. Die umzäunten Bolzplätze in der Cuvrystraße und im Schlesischem Busch sind gerammelt voll. Auf ihre billigen No-Name-Bälle malen die Players mit Edding-Stiften den Nike-Schweif: Die Berliner Fußballkampgne des amerikanischen Konzerns ist sehr effektiv.
Die aktuellen Werbespots heißen „Hertha erobert die Straße“ und „max Fußball pro qm“ und sind bis Ende März in den Berliner Kinos geschaltet. Im ersten Spot messen sich 14- bis 19-jährige Kreuzberger mit den Hertha-Stars Ali Daei und Michael Preetz, im zweiten tun die sie’s alleine. Mit harten Schnitten werden trübe Bilder verwackelt und unter scharfen Drum’n’Bass-Beats endgültig kaputtgehackt: Regisseur Zoran, der auch das Video „Mit freundlichen Grüßen“ der Fanta 4 gedreht hat, macht aggressiv Tempo. Das Nike-Logo ist nur am Rande zu sehen, aufgelöst werden die Spots am Ende durch eingeblendete Bonmots wie „Die freie Welt ist hinter Gittern“.
„Freiheit“ ist ein gern gebrauchter Topos in der Werbung. Man denke an „Die Freiheit nehm’ ich mir“ in der Visa-Reklame oder die Todeszellen-Kampagne von Benneton, die mit den Bildern ultimativ ungewählter Unfreiheit Pullover verkauft. Die Nike-Werber punkten jetzt, indem sie die Gitter positiv besetzen und sich auf ein ganz bestimmtes Bedürfnis männlicher Jugend konzentrieren: die Freiheit, sich als delinquent zu stilisieren. Man könnte es das „Skateboarding is not a crime“-Syndrom nennen – nach dem Aufkleber, an dem sich Hardcore-Skater erkennen. Die kiffen vielleicht mal oder fahren vor der Neuen Nationalgalerie rum, um sich von der blöden Welt abzugrenzen.
Richtig illegal ist das aber alles nicht, und auch Fußball ist ja kein Verbrechen. Aber auf dem Bolzplatz findet der Nike-Spot noch einmal die Dreifaltigkeit der männlichen Identitätsstiftung: Fetisch (Ball), Begrüßungsritual (diverse) und Freundin (guckt zu). So wird aus den Gittern in der Nike-Werbung eine 1a-Matrix für den aufbegehrenden Männerbund – und Fußball gleichzeitig zur Insignie der Coolness. CHRISTOPH BRAUN
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