Ihr Name ist Gabi

Seit 100 Tagen ist Gabi Schöttler Senatorin für Soziales, Gesundheit, Arbeit und Frauen

Es gibt PolitikerInnen, deren Macht erweitert sich, und niemand weiß, warum. Gabriele Schöttler ist eine von ihnen. Noch vor anderthalb Jahren war die zum linken Flügel gehörende SPD-Politikerin in Berlin weitgehend unbekannt. Dann stieg die damalige Arbeits- und Frauensenatorin Christine Bergmann in die Bundesregierung auf, und in der SPD begann die fieberhafte Suche nach einer Nachfolgerin.

Eine Frau aus dem Osten – wie Bergmann – sollte es sein. Gabriele Schöttler, seit 1991 im Abgeordnetenhaus und Kreisvorsitzende in Mitte, erfüllte diese Voraussetzungen.

Politisch profiliert hat sie sich in der kurzen Zeit zwischen Amtübernahme und der Abgeordnetenhauswahl im Herbst 1999 allerdings nicht. Zwar schrieb sie die Arbeitsförderungsprogramme ihrer Vorgängerin fort, doch eigene Akzente blieben Mangelware. Lediglich mit ihrer klaren Ablehnung längerer Ladenöffnungszeiten und ihrer Vorliebe für hochhackige Pumps machte die 46-Jährige von sich reden.

All das war freilich nicht der Grund dafür, dass „Gabi“, wie sie sich auf ihren Wahlkampfplakaten nannte, nach der Wahl noch mehr Macht bekam. Als in den Koalitionsverhandlungen der Postenschacher in die Endphase ging, die so genannten Schlüsselressorts längst verteilt, der Senat aber noch nicht ausreichend verkleinert wa, da schlug man das Gesundheits-und Sozialressort einfach dem Bereich Arbeit/Berufliche Bildung/Frauen zu. Seitdem ist Gabriele Schöttler auch noch Gesundheits- und Sozialsenatorin.

In dem Briefkopf ihrer Verwaltung taucht das Gesundheitsressort dennoch nicht auf. Böse Zungen werten dies als Indiz dafür, welch geringen Stellenwert die Gesundheitspolitik für Schöttler hat. Bereits vor ihrer Wahl waren in der SPD Stimmen laut geworden, die „der Gabi“ das schwergewichtige Gesundheitsressort nicht zutrauten.

Diese Stimmen sind zwar verstummt, doch auffällig häufig wird betont, welch guten Griff Schöttler mit ihrem Gesundheitsstaatssekretär Theo Schröder getan hat, einem Import aus Thüringen. „Schöttler macht denselben Fehler wie ihre Vorgängerin Beate Hübner“, kritisiert der grüne Gesundheitsexperte Bernd Köppl. „Das Gesundheitsressort überlässt sie ihrem Staatssekretär.“ Ärztekammerpräsident Günther Jonitz sieht das anders: „Sich gute Mitarbeiter auszusuchen gehört zu der Arbeit einer Führungskraft.“

Doch Mitarbeiter Schröder war noch nicht im Amt, als wenige Tage nach ihrer Wahl die Finanzkrise der Berliner AOK eskalierte. Ohne einen Experten aus der neuen Verwaltung an ihrer Seite stellte sich die frisch gebackene Gesundheitssenatorin der Öffentlichkeit. Prompt brachte sie Betten- und Personalzahlen durcheinander, untermauerte ihr Engagement für die marode Krankenkasse mit dem schlichten Bekenntnis, selbst AOK-versichert zu sein. Der Spott von Fachleuten und Presse war ihr gewiss.

Seitdem ist Schöttler, die von den Ost-Kreisverbänden und den Frauen in der SPD unterstützt wird, in der Öffentlichkeit kaum präsent, für die Presse ist sie nur selten zu sprechen. Bei den Organisationen im Gesundheitswesen wie Ärztekammer und Krankenkassen, habe sie aber das Gespräch gesucht, lobt Kammerpräsident Jonitz. Auch die Auseinandersetzung mit den Betroffenen scheut sie nicht: Noch bevor der Senat als Rettung für die AOK beschloss, die Schließung einiger Klinikstandorte vorzuziehen, stellte sich Schöttler der Auseinandersetzung mit den betroffenen Krankenhäusern. „Das war ein neuer Stil, das lässt hoffen“, urteilt Helga Lachmund, die Geschäftsführerin des Krankenhauses Moabit. Von der eigentlichen Entscheidung des Senats, ihre Klinik dichtzumachen, hält sie bekanntlich nichts.

Doch Lachmund könnte Glück haben. Ob nämlich die vom Senat beschlossene Schließung ihres Krankenhauses rechtlich durchsetzbar ist, ist mehr als fraglich. Scheitert dies, wird sich das Krankenhausbudget nicht wie versprochen absenken, eine neue Krisenrunde mit den Kassen stünde an. Für Schöttler hieße das: Zurück auf los.

Dieses Drama hat die Gesundheitssenatorin ihrer glücklosen CDU-Vorgängerin zu verdanken. Freigeschwommen von deren Erbschaft hat sie sich bislang nicht. Bisher konzentriert sich die Arbeit der Gesundheitsverwaltung – wie auch in der letzten Legislaturperiode – auf den Bettenabbau in den Krankenhäusern. Schöttler setzt das um, was ihre Vorgängerin auf den Weg gebracht hat. „Das ist CDU-Politik und mehr nicht“, urteilt der grüne Gesundheitsexperte Köppl.

Ärztekammerpräsident Jonitz ist geduldiger: Entscheidend sei, ob sich Schöttler gegen den Regierenden Bürgermeister durchsetze. Denn im entscheidenden Augenblick macht Diepgen gesundheitspolitische Fragen gern zur Chefsache. Einschneidende Reformen aber sind seine Sache nicht. Genau diese aber sind notwendig in der Berliner Gesundheitspolitik. Jonitz traut – nach einer entsprechenden Einarbeitung – Schöttler diese durchaus zu. Köppl aber bleibt skeptisch: Er befürchtet, dass der Senatorin nicht nur das Know-how, sondern auch die Leidenschaft für die Gesundheitspolitik fehle.

SABINE AM ORDE