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: CHRISTOPH SCHULTHEIS über Ufos, Käse und den Brutus-Effekt

Raab ist Raab ist Raab

Die Wahrheit ist ein Brocken Parmesan. Stefan Raab indes ist eine Rose. Im Rilkeschen Sinne, meine ich: „Reiner Widerspruch“ seufzte der Dichter (1885–1926) seinerzeit – in Anbetracht der Blume, versteht sich. Rilkes Arbeitskollegin Gertrude Stein (1874–1946) war da zwar ganz anderer Meinung und fand, eine Rose sei eine Rose sei eine Rose (und sonst nix). Aber sondergleichen und nichts als Raab ist Raab sowieso.

Als er vorige Woche auf Pro 7 unkte, er habe einen Spion in die Container-WG der RTL 2-Überwachungsshow „Big-Brother“ gemogelt, war das zunächst ausgesprochen hihihi. Vor allem verglichen mit der Reaktion der „Big Brother“-Macher, die hysterisch abwiegelten, gleichzeitig aber jovial die „flankierende Promotion-Unterstützung“ seitens der Konkurrenz begrüßten und mit dem Gerücht hausieren gingen. Als Raab allerdings schon in dieser Woche eingestand, sein Spion sei ein Huhn, sein Spaß also eine Ente gewesen, war Schluss mit Lustig und alles wieder andersrum. Nur Raab blieb Raab.

Nun ist das Dementi ja auch die Keimzelle der Verschwörungstheorie und Letztere zudem ein lukrativer Markt. Man erinnere sich nur an den Autounfall einer englischen Prinzessin. Oder an Roswell: Seit 1947 beteuern US-Army, Nasa und Gott weiß wer, in der Wüste von New Mexiko sei kein Ufo abgestürzt. Und nicht zuletzt die offiziellen Gegendarstellungen sind den Besserwissern Beweis genug: Warum bitte schön sollten all jene, die’s wissen müssten, den Untertassen-Absturz wohl so unablässlich abstreiten und hilflos mit den Schultern zucken, wenn überhaupt nichts dran wäre an der Geschichte? Wer fände schon Gefallen am blanken intellektuellen Spaß des Mysteriösen? Solange Öffentlichkeit und Interessen groß genug sind, ist der Brutus-Effekt nicht weit. Nur mal angenommen, Bill Clinton wäre ein ehrenwerter Mann und zwischen ihm und seiner Monica wirklich nix gelaufen: Wie lange hätte er noch in Kameras zürnen und die perfiden Anschuldigungen verneinen können, ohne damit den letzten Rest an Glaubwürdigkeit und Amt und Würden zu verspielen?

Und als nun eben Raab seinen eigenen Fake und damit auch sich selbst verriet, spekulierte alle Welt (also die Bild-Zeitung) prompt über Querelen und einen Rauswurf Raabs. Und die „Big Brother“-Macher beteuerten obendrein und unverfroren, sie seien weiterhin „sicher, dass Raab tatsächlich einen Spion im Wohncontainer hat unterbringen können“.

Wenn zwei nur lange genug Gegenteiliges behaupten, ist der Dritte (in Worten: wir) der Dumme. Gründe gibt’s immer. Die Wahrheit ist nun mal bloß ein Brocken Parmesan. Wer zu lange daran festhält, hat am Ende nichts als ein verschwitzes Stückchen Rinde – und blutige Fingerkuppen.