In neuen Schläuchen

Vom Sat.1-Ball bis zum Königsblau der ARD: Das Geschäft mit dem TV-Design ist eine boomende Branche, der Look bestimmt die Quote

von STEFFEN GRIMBERG

Früher, in der Steinzeit des Fernsehens, war natürlich alles viel einfacher: Ganze drei Programme umfasste die TV-Welt, und damit man sich auch ja nicht in deren überschaubarem Angebot verlief, erzählte eine charmante Dame in Brünett-Blond den Film schon mal vorab und wünschte „Gute Unterhaltung!“. Heute stehen AnsagerInnen unter Artenschutz, die letzten Exemplare der Spezies, die heute als Programmmoderatoren firmiert, füttern das ZDF und einige Dritte Programme der ARD durch.

Dafür kabeln sich jetzt bis zu 33 Programme in den durchschnittlich-deutschen Fernsehaushalt, wer mit einer Satelittenschüssel gesegnet ist, kann eine Null anhängen, und selbst die gute alte Hausantenne empfängt mindestens sechs Kanäle. Seit Einführung des privaten Rundfunks 1984 haben sich auch die Programme der Anstalten und ihrer kommerziellen Konkurrenz immer stärker einander angenähert. Unterscheidung tut da Not: Jeder Sender versucht, sich klar zu definieren, ein klares Image im Bewusstsein der Zuschauer aufzubauen, auch wenn recht eigentlich ja alle dasselbe bieten. „Branding“ heißt das im Medienneusprech, die Sender positionieren sich als Marke wie weiland Persil, damit auch der Zuschauer weiß, was er hat.

Bewusst wird einem das beim normalen Freizeitfernsehen kaum. Doch wenn weiter knallbunt-schräge Studios für Unterhaltungssendungen entwickelt werden, wenn Informationsformate in seriöses Königsblau eintauchen oder die aktuelle Sportberichterstattung in frischem Grün daherkommt, dann steckt eigentlich immer ein TV-Designer dahinter, der das Programm oder gleich den gesamten Sender als Gesamtkunstwerk inszeniert.

„Station IDs“, die Personalausweise der Sender, durchziehen das gesamte Programm. Vom Logo, das da oben links oder unten rechts am Bildschirm blüht, über die „Trenner“ für einzelne Sendungen und Werbeblöcke bis zu den „Teasern“, die für kommendes Programm Stimmung machen. Als Kunst – „Art“ – wird dieser Bereich bei den Sendern auch betrachtet: „Art Directors“ wachen mittlerweile auch bei den kleinsten Sendern über das TV-Design und die „On-Off-Promotion“, also den Gesamtauftritt im eigenen Programm („on air“) und außerhalb, z.B. in der klassischen Printwerbung („off air“).

Doch bis Ende der Achtzigerjahre blieb TV-Design in Deutschland stark unterbelichtet. Die öffentlich-rechtlichen Sender verließen sich zunächst auf Qualität und angestammte Bekanntheit ihrer Programmangebote. Die neuen Akteure wie RTL, Sat.1 oder Pro 7 buhlten mit ausgeklügelter Eigenwerbung um Aufmerksamkeit. „Erfrischend anders“ war RTL plus nach dem Umzug von Luxemburg nach Köln nicht nur im Programm (wer erinnert sich noch an „Tutti Frutti“?). Statt Ansagerinnen kündigten jetzt eben Kurzfilme – so genannte Trailer – die folgenden Sendungen an. Die gesetzlich vorgeschriebenen Ankündigungen der Werbeunterbrechung wurde geschickt nicht nur von RTL zur Inszenierung der eigenen Marke, der „Brand“, genutzt: Auch der bunte Sat.1-Ball war von Anfang an dabei.

Seit Mitte der Neunzigerjahre, als die werbefinanzierten Sender den öffentlich-rechtlichen in der Publikumsgunst davonzulaufen schienen, haben auch die öffentlich-rechtlichen Sender, allen voran ARD und ZDF, in Sachen Design und Sendermarketing nachgelegt: Die Farbe Blau, von den Zuschauern als Ausdruck von Seriosität und Zuverlässigkeit geschätzt, dominiert nicht nur „Tagesschau“ und „Tagesthemen“, sondern soll auf das gesamte ARD-Programm abfärben.

Die Halbwertszeit der Sender-Designs nimmt dagegen ab: „Nach knapp drei Jahren bestand Handlungsbedarf“, meint RTL-Creative-Director Manfred Becker zum neuen Design aus Köln. „Audio-like“ wischt nun seit einer Woche das RTL-Logo als „Blurr“ auf den Bildschirm – synchron zur Stimme aus dem Off, die dazu „Er-Te-Ell“ sagt, doppelt hält besser. „Viel stärker vernetzen“ soll das Design Form und (Programm-)Inhalt, sagt Becker. Dass das RTL-Logo nur noch im Block daherkommt, zahlt sich noch ganz anders aus: Früher, als die Buchstaben einzeln auf den Bildschirm huschten, war die Sequenz schlicht länger. „Und es ist schon ein Unterschied, ob eine Logoanimation fünf oder acht Sekunden dauert. Wenn ich da zehn Logos zeige, ist das ein 30-Sekunden-Werbespot mehr“, so Becker. Im Mai will der Sender noch seinem News-Design für Nachrichten- und Informationsformate einen „völlig neuen Look verpassen“.

Auch der öffentlich-rechtliche Kinderkanal hat sich neu positioniert: Weil der Name für zu lang befunden wurde, heißt es knapp Ki.Ka, und ein neues, farbenfrohes Design („rund, aber nicht ohne Kanten“, verkündet der Sender), soll der Fantasie auf die Sprünge helfen.

Der Markt für TV-Design boomt, das Entwicklungsland Deutschland hat aufgeholt. Wurden früher TV-Design teuer in den USA eingekauft, machen sich jetzt erste deutsche Entwürfe auf den Weg über den Atlantik. In den vergangenen zehn Jahren enstand vor allem im Umfeld der großen Sender in Köln und München eine vielfältige Szenerie kleiner Firmen, die sich auf die Kreation und Produktion von Medien-Design spezialisiert haben. Und über 1.000 Teilnehmer treffen sich ab Montag in Berlin zur ersten Deutschland-Konferenz des TV-Designer-Verbandes Promax Europe, Ableger des US-Verbands Promax BDA. Über die Branchengrenzen hinaus wirkt auch der 1995 in Köln gegründete Berufsverband für Design, Promotion und Marketing, Eyes and Ears of Europe, in dem nahezu alle deutschen und viele europäische Sender und TV-Designer organisiert sind.

Worüber die Designer-Konferenzen voller bunter Bilder und gigantischer Soundeffekte leicht hinwegtäuschen: TV-Design liefert in erster Linie professionelle Verpackung. Doch selbst die macht aus einem mauen Programmprodukt keinen Knüller. Das war schon bei Persil so. Guten Abend.