ANGELA MERKEL: DIE KÜNFTIGE CDU-CHEFIN WILL KANZLERIN WERDEN
: Eine Königin ohne Land

Heute horcht Angela Merkel noch einmal in die Partei hinein. Wie auf allen vorigen CDU-Regionalkonferenzen wird sie auch in Stuttgart vor allem eines hören: ihren Namen. So waren diese Veranstaltungen zumindest vom scheidenden Vorsitzenden schließlich auch gedacht: Schäuble stellt seine Nachfolgerin vor. Die Landesvorsitzenden sitzen überall brav neben ihr auf dem Podium, blicken und horchen in ihre Parteibasis und werden am Montag nach Berlin melden: Alles ruft nach Angela Merkel. Wozu braucht die CDU einen Vorsitzenden? Bisher brauchte der Vorsitzende die CDU, als Kampf- und Loyalitätsmaschine. War der CDU-Vorsitzende Kanzler, übernahm es der Generalsekretär, der Partei ein eigenes Profil, ein eigenes Gesicht, vielleicht sogar einen eigenen Kopf zu verleihen. Ebenso wichtig war die Generalsekretärin, als der CDU-Vorsitzende gleichzeitig CDU/CSU-Fraktionschef im Bundestag war, da er als solcher stets die Interessen der bayerischen Schwesterpartei mit zu vertreten hatte.

 Nun wird alles anders, aber nicht gerade leichter: Angela Merkel wäre die erste absolute CDU-Vorsitzende. Kein Regierungsamt, keine parlamentarische Führungsfunktion, die sie bindet. Angela Merkel, eine Königin ohne Land. Sie ist nicht Oppositionsführerin; in den Fluren des Reichstags ist Friedrich Merz der Zeremonienmeister, mit ihm wird sich der Kanzler streiten und einigen. Angela Merkel hat als CDU-Chefin nichts zu kommunizieren außer guten Gedanken, kein landespolitisches Regierungshandeln, keine Bundesratsinitiativen, keine Gesetzentwürfe aus der Fraktion. Für Merkel gibt es kein Protokoll im Ausland, keine Präsenz in den Elefantenrunden, und die Parteizentrale muss sie wegen des finanziellen Desasters im Sog des Spendenskandals bis zur Unkenntlichkeit verstümmeln: Angela Merkel wäre der machtloseste CDU-Vorsitzende, den es je gab. Dennoch wird Angela Merkel am Montag treuherzig verkünden, dass sie bereit ist, den Ruf der Basis zu erhören.

 Dann sitzen die übrigen CDU-Granden in der Falle. Einen Grund gibt es schon, die Last des Vorsitzes auf sich zu nehmen. Wenn in zwei Jahren die Frage ansteht, wer Gerhard Schröder in der Bundestagswahl herausfordern soll, hat der Parteivorsitzende den ersten Zugriff auf die Spitzenkandidatur. Als Generalsekretärin – unter welchem Übergangsvorsitzenden auch immer – stünde sie dagegen in einer Reihe mit den Merzens, Müllers und Rüttgers. Angela Merkel will Kanzlerin werden. Hübsch eingefädelt. MARKUS SCHUBERT

Der Autor ist Politikwissenschaftler und Hörfunkredakteur in München und seit 1984 Mitglied der Jungen Union