Rohr frei für den Gaswettbewerb

Gaswirtschaft verabschiedet Eckpunke zur Liberalisierung. Vom neuen Angebot profitiert vorerst nur die Industrie

BERLIN taz ■ Nach monatelangen Verhandlungen haben sich die Gaswirtschaft und die Industrie darüber verständigt, zu welchen Bedingungen Gas durch die Leitungen fremder Anbieter geleitet werden kann.

Auf Grundlage des gestern unterzeichneten Eckpunkte-Papiers soll im August eine endgültige Vereinbarung in Kraft treten, nach der Kunden ihren Gaslieferanten frei wählen können. Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, der die Verhandlungen begleitet hatte, nannte das Papier „einen großen Schritt in Richtung Wettbewerb“.

Er warnte allerdings vor zu großen Erwartungen hinsichtlich einer schnellen Gas-Preissenkung. Der einsetzende Wettbewerb führe zwar dazu, dass die Gaspreise, die an den Ölpreis gekoppelt sind, nicht in dem selben Maß steigen, wie es der Ölpreis zur Zeit zulassen würde, so Müller. Er schließe aber nicht aus, dass einzelne Anbieter auf die Idee kommen, Gas direkt in den Erzeugerstaaten einzukaufen und es unter Umgehung der traditionellen Versorger an die Kunden zu verkaufen: „Vielleicht wird es grünes Gas geben wie jetzt schon gelben Strom“, sagte Müller.

Doch noch müssen sich die rund 14 Millionen Haushalte, die in Deutschland mit Gas heizen und kochen, gedulden. Es gibt noch keine Regelung, wie die Durchleitung zum Endverbraucher abgerechnet werden soll.

In den kommenden Monaten sollen für die Privathaushalte „typische Abnahmeverhalten“ ermittelt werden. Zunächst wird die Industrie von der Durchleitung profitieren. Die Erwartungen an den Wettbewerb sind hoch, weil die Gaspreise in der Bundesrepublik rund 20 Prozent über dem europäischen Durchschnitt liegen. Carsten Kreklau vom Bundesverband der Deutschen Industrie gibt sich optimistisch, dass die Einigung „den Wettbewerb in Gang setzt“.

Auf Preissenkungen wollten sich weder die Industrie, noch die Versorger festlegen. Doch der „Binnenwettbewerb“ zwischen den rund 40 großen regionalen und 700 lokalen Gasversorgern habe bereits begonnen, sagte Ulrich Hartmann, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Gas- und Wasserwirtschaft. Die Konsequenzen bekommen vor allem die rund 100.000 Mitarbeiter der deutschen Gasunternehmen zu spüren. Im Vorfeld des Wettbewerbs sind nach Hartmanns Angaben bereits 30.000 Stellen bei den Gasunternehmen abgebaut worden, um die Effizienz zu steigern. Ein Ende dieses Trends ist nicht abzusehen.

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