Die Neuordnung der Welt

Folgen der Fusion Deutsche Bank/Dresdner Bank sind in ihrer Dimension noch gar nicht abzusehen. Fest steht nur: Hunderte von Arbeitsplätzen werden wegfallen  ■ Von Kai von Appen

Die Giganten-Hochzeit Deutsche Bank/Dresdner Bank mit der Allianz-Versicherung als Schwiegermutter wird den Finanzstandort Hamburg mächtig erschüttern: „Das Ausmaß ist noch gar nicht abzusehen“, sagt Peter Bremme, Branchenexperte bei der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV). Aber, so viel ist klar: „Es hat eine neue Welt begonnen“. Denn nicht nur hunderte Arbeitsplätze der beiden Banken werden dem Fusions- und Konzentrationsprozess zum Opfer fallen, sondern durch den Aufbau neuer Vertriebsstrukturen über Bankfilialnetze werden KundInnen und MitarbeiterInnen drastische Veränderungen erfahren. Selbst die sonst eher behäbige Hamburger Sparkasse (Haspa) muss sich dieser Entwicklung anpassen, sucht neue Partner und plant offenkundig den Gang an die Börse.

„Entschieden rücksichtslos“, so lautete die Divise von Allianz-Boss Henning Schulte-Noelle, als er vor zwei Wochen den Umbau der Wirtschaft durch die Umstrukturierung seines Versicherungskonzerns, der 2,2 Milliarden Mark Gewinn aufweist, einleitete. Schon jetzt – nach der Aufteilung der Finanzmärkte – haben die anderen beiden Finanzmultis angekündigt, dem Vorbild Allianz-Deutsche-Dresdner zu folgen: Allen voran die Münchner Rück – selbst mit der Allianz gegenseitig zu jeweils 25 Prozent verflochten.

Die Münchener Rück möchte ihr Versicherungssystem über das Hypo-Vereinsbank-Filialnetz intensivieren, während das Aachener-Münchener-Konsortium sich die Commerzbank zu nutzen machen möchte. 20 Prozent der Commerzbank-Aktien sollen sich bereits in der Hand des britischen Partners, der Großbank HSBC, befinden, zu den Hauptaufkäufern gehört die Hamburger „Beteiligungs- und Grundbesitz AG“. Die Münchner Rück und Aachener-Münchener sind wiederum Hauptaktionäre der Düsseldorfer Ergo-Versicherungsgruppe, die unter ihrem Dach große Versicherungen wie die Victoria, DAS, Hamburg-Mannheimer und DKV vereint. Auch der größte Alllianz-Konkurrent – die französich-deutsche Axa-Colonia-Gruppe – die gerade mit der Schließung der Zentrale die Hamburger Albingia-Versicherung abwickelt– wird sich diesem Trend anschließen.

Mit ihrer neuen Strategie wollen sich zunehmend die Versicherungen den Bankschalter zu nutze machen und neue Vertriebsstrukturen aufbauen, was zur Folge haben wird, dass klassische AußendienstmitarbeiterInnen bei den Konzernen – wie „Herr Kaiser“ – ihren Job verlieren.

Der Weg zur Umstrukturierung in die neue „Vermögensverwaltung für Privatkunden“ zeichnete sich bereits bei der Deutschen Bank durch die Aufteilung in die angestammte „blaue Bank“ und die „rote Bank“ – der Ausgliederung der Privat- und Massenkundschaft in die Bank 24 – ab. Nach der Fusion droht nun auch den Privatkunden der „grünen Bank“ das gleiche Schicksal.

Viele der „grünen“ und „blauen“ Zweigstellen werden aufgegeben, gerade in Regionen mit schlechter Frequentierung. Es sollen wenige Anlaufstellen mit professioneller Beratung für die vermögenden Kunden bleiben. Sogar ganze EDV-Abteilungen der Dresdner Bank im Norden stehen vor dem Aus, könnten entweder zusammengelegt werden, weil sie überflüssig geworden sind, oder werden wegen mangelnder Kompatibilität mit Deutsche-Bank-Programmen geschlossen.

Mit dem Allianz-Coup ist der Weg für die Bündelung der Privatkundenbetreuung aus „blauer“ und „grüner“ Bank sowie der potentiellen Versicherungs-Kundschaft offen. In den hochtechnisierten Filialen der „Vermögensverwaltung“ werden künftig nicht nur typische Bankgeschäfte für Aktien- und Immobilienfonds unterbreitet, sondern auch Angebote aus der Versicherungsbranche verkauft. Im Klartext: Wenn ein Privatkunde zukünftig seine paar Kröten günstig anlegen möchte, kann am Ende durchaus herauskommen, dass er mit einer Versichungspolice nach Hause geht. Die „Bank-Center“ à la Bank 24 sind weitgehend automatisiert. Die qualifizierte Einzelberatung ist out, die Beratung erfolgt nach standardisierten Programmen. Der Privatkunde wird im Zahlungsverkehr via Internet per Homebanking abgewickelt. „Die Stigmatisierung in der neuen Welt wird gnadenlos sein“, vermuten Experten. Daher wird sich auch in der Zukunft das ganze Berufsbild und die Mitarbeiterstruktur in den Vermögens-Centern verändern. Gefragt ist nicht mehr der gutausgebildete Bankangestellte, der Durchblick bei Geld, Finanz- und Aktientransfers hat, sondern der Typ "keep smiling“, der es versteht, Produkte zu verkaufen. Egal ob Investmentfonds oder Lebensversicherung – Das „standardisierte Programm gibt Hilfestellung, „ohne dass der Kunde es merkt“, so Bremme.

Dieser Prozess setzt natürlich auch andere Geldinstitute wie die Hamburger Sparkasse unter Druck. Zur Zeit versucht die Haspa aufgrund der Bankenfusion gerade im Privatkundensektor in die Offensive zu gehen und durch Kooperation mit Sparkassen anderer Bundesländer ihre Marktanteile zu sichern. Doch auch hier werden aufgrund der Kontenstruktur einige Filialen geschlossen werden. Dennoch hat sich die Haspa offensichtlich auf die „neue Welt“ vorbereitet und plant neben einer engeren Kooperation mit der Versicherung „Provinzial-Neue Leben“ sogar die Umstrukturierung in eine „Aktiengesellschaft.