Kaffeeklatsch mit Polit-Promis

Beim Weddinger Prominentenfrühschoppen diskutieren die Politiker brav. Und das Publikum hört brav zu

Am Stammtisch wird gemeinhin Tacheles geredet. Das muss sich auch der Weddinger Bezirksbürgermeister Hans Nisblé (SPD) gedacht haben und lud für gestern Morgen zum politischen Frühschoppen in die Shoppingmall Gesundbrunnen-Center. Etwa 100 Weddinger kamen, um „Menschen wie du und ich“, darunter Innensentor Eckart Werthebach (CDU) oder Gesundheitssenatorin Gabriele Schöttler (SPD) ihr Ohr zu leihen. Nur Bier fehlt zum zünftigen Schoppen.

Gabriele Schöttler (SPD) darf den Gesprächsreigen eröffnen. Jeder erkenne, es gibt zu viele Betten in Berlins Krankenhäusern, gibt sie ihr Thema vor. „Aber wenn es um das einzelne abzubauende Bett geht, klammert sich jeder daran, als wäre es das letzte“, ärgert sie sich. Das Publikum reagiert mit höflichem Applaus.

Steffen Reiche, SPD-Landesvorsitzender und Bildungsminister, muss etwas zur angestrebten Länderfusion sagen: „Berlin ist die größte kreisfreie Stadt Brandenburgs und ich will, dass sie schnell wieder als solche in Brandenburg integriert wird.“ Die Menge klatscht etwas lauter.

Eckart Werthebach (CDU), Senator für Inneres, sagt endlich, was die ältlichen Stammtischgäste hören wollen. „Mein Hauptziel sind mehr uniformierte Polizisten auf der Straße, damit das Sicherheitsgefühl der Bürger erhöht wird.“ Eine grundlegende Polizeireform sei dafür nötig. „Sie können mich beim Wort nehmen“, verspricht Werthebach und heimst den größten Applaus ein.

Der Staatssekretär für Wirtschaft und Technologie, Volker Liepelt (CDU), heischt ebenfalls um die Gunst des Publikums: „Der neue Großbezirk Mitte, Tiergarten, Wedding besteht nicht nur aus Schlossplatz und Unter den Linden. Wir müssen gerade in den Kiezen dafür sorgen, dass Mittelstand und Einzelhandel nicht vor die Hunde gehen.“ Kräftiger Applaus.

Damit sich die Gäste bei so viel Realpolitik nicht langweilen, wird kurz ein Showblock eingeschoben. „Ich lieb die Politiker besonders“, singt Chansonière Waltraud Klotz, „weil, das weiß doch jedes Kind, sie die größten Arschkriecher sind“. Noch einmal applaudiert der Weddinger.

Dann darf Steffen Reiche noch etwas zu seinem Lieblingsthema sagen. Kopfnoten seien veraltet, erklärt er den Senioren, Beurteilungen des Sozialverhaltens zeitgemäßer. Werthebach trommelt nervös mit den Fingern. „Kopfnoten haben noch niemandem geschadet“, holt er das Publikum wieder auf seiner Seite.

Nach zwei Stunden ist das Eis gegessen und die Standpunkte sind geklärt. Und Moderator Peter Bosse wagt den Vergleich mit einer bekannten Fernsehshow: „Die dürfen immer überziehen, dann dürfen wir das auch.“ Sagt’s und gibt den restlichen Sonntag frei. NADINE KRAFT