Der Wurmfaktor

Beim 1:1 von Hertha BSC Berlin gegen Bayern München wird der wahre Spielzerstörer entlarvt: der Regenwurm

BERLIN taz ■ Endlich ist es raus. Wochenlang hatten Kohorten von Journalisten gerätselt, warum das Passspiel von Hertha BSC spätestens vor dem Strafraum des Gegners ins Stocken gerät und warum das filigrane Dribbling manchmal mit einem Stolperer ein jähes Ende findet. Und auch die Frage scheint nun beantwortet, warum der FC Bayern München in Berlin mit einem „Fluch“ belegt ist, wie eine Zeitung feststellte. Die Münchner konnten zuletzt bei Hertha nicht gewinnen (0:1 und 1:1), und auch am Samstagnachmittag reichte es nur zu einem 1:1. Schuld war der Rasen. Oder besser: die Würmer.

Zunächst wunderte sich Ottmar Hitzfeld, Coach der Gäste, weshalb kein ansehnliches Spiel zu Stande kam, um dann unmittelbar zum Kern des Problems vorzustoßen, dem Rasen. Hitzfeld also wunderte sich, wie es kommen konnte, dass seine Truppe in einem derart lichtdurchfluteten Stadion vor 76.000 Zuschauern auf einem „Acker“ auflaufen musste. In Amsterdam oder Dortmund kennt man die Probleme. Ständig muss ein neuer Bioteppich verlegt werden. Aber in Berlin?

Anderswo, in München etwa, vermisst der Platzwart die Halme Überlieferungen zufolge noch einzeln und ist mit der Wasserwaage unterwegs. In Berlin kämpft man dagegen mit einem massiven Wurmproblem, was sich so äußert: Zur Bekämpfung rutschigen Reifs wird die Rasenheizung angeworfen. In der kuscheligen Wärme dieser gedeiht nun der „gemeine Regenwurm“ (Dieter Hoeneß) ganz vorzüglich, was er durch die Anhäufung von Erdwällen bekundet. Die „Dreckhäufchen“ (D. Hoeneß) wiederum machen den Rasen schwammig. Mit fatalen Folgen für die sensiblen Kurzpässler aus dem Bajuwarischen. Der Ball holpert, der Kicker rutscht. Hitzfeld mitleidig: „Der Platz war schwierig zu bespielen. Da sieht man, dass die Spieler nicht so leichtfüßig laufen.“ Beide Teams litten, Hertha weniger, weil sie mit den Schwierigkeiten des Geläufs vertraut sind. Also ging Bayern Kräfte sparend und abwartend ins Match. Oliver Kahn und Stefan Effenberg trotteten leicht sediert über den Platz respektive vor dem Tor herum und beäugten des Kontrahenten Spielvermögen. Wenn Hitzfeld allzu heftig am Spielfeldrand gestikulierte, langte ein Bayer mit einem harten Foul hin, wohl um zu verdeutlichen, dass er mit dem nötigen Einsatz zu Werke geht. Hertha zeigte sich eifrig, doch es klappte nicht recht. In der 31. Minute stand es plötzlich 0:1. Jens Jeremies hatte aus 20 Metern abgezogen. Der „Speed Guard“, der im Stadion die Geschwindigkeit der Schüsse misst, zeigte 97,4 km/h an. Zu schnell für Keeper Gabor Kiraly. „Ein Tor aus dem Nichts“, konstatierte Stürmer Michael Preetz.

In der zweiten Halbzeit kickte Bayern im Energiesparmodus. Hertha kam ein wenig ins Spiel. Der Ausgleich fiel in der 71. Minute durch Alex Alves (nur 53,4 km/h schnell) nach Flanke von Ali Daei. Das Spiel, währenddem sich beide Teams, so Hitzfeld, „neutralisierten“, „wenig Spielräume“ ließen und hauptsächlich „harte Zweikämpfe im Mittelfeld“ zeigten, genügte offenbar den Ansprüchen aller. Hertha-Coach Jürgen Röber fand lobende Worte, verteilte Komplimente. Das tut er immer, wenn sein Team kämpft, rackert, beißt. Dieter Hoeneß sprach gar von einem Sieg, „einem Sieg fürs Selbstvertrauen, Sieg in dem Sinne, dass wir nach dem Rückstand wieder ins Spiel gekommen sind“.

Sein Bruder Uli Hoeneß, Manager der Bayern, gab kund, dass die Bayern nach dem Unentschieden „nicht schlechter geworden sind“. Im Gegenteil, „wenn ein Gegner so stark ist, muss man mit einem 1:1 zufrieden sein“. Eine einvernehmliche Punkteteilung. Gut für die Brüder Hoeneß. So gingen beide recht aufgeräumt zum gemeinsamen Abendessen in die Berliner Nacht hinaus. Das Wurmproblem dürfte in dieser familiären Runde nur am Rande zur Sprache gekommen sein. Einfach zu unappetitlich. MARKUS VÖLKER

Hertha BSC: Kiraly – Rehmer, van Burik, Sverrisson, Konstantinidis – Deisler, Schmidt (72. Daei), Wosz, Hartmann – Alves, PreetzFC Bayern München: Kahn – Linke, Jeremies (80. Tarnat), Kuffour – Babbel, Fink, Effenberg, Lizarazu – Scholl, Elber (82. Santa Cruz), SergioZuschauer: 76.000, Tore: 0:1 Jeremies (31.), 1:1 Alves (71.)