Nahes Ende der Sonnentage

Der Sportclub Freiburg verpasst mit der 0:2-Niederlage gegen den Hamburger Sportverein die Chance, im Kampf um den Abstieg vom Clinch in die aussichtsreichere Halbdistanz zu wechseln

aus FreiburgULRICH FUCHS

Freiburg ist nicht nur die Stadt, der die meisten Sonnentage nachgesagt werden. Angeblich soll am Fuß des Schwarzwalds auch die bundesweite höchste Dichte an Psychologen Dienst an gekränkten Seelen tun. Die Frage ist nur: Gilt auch hier der marktwirtschaftliche Grundsatz, dass die Nachfrage das Angebot regelt?

Oder zieht es die standortungebundenen Freiberufler ganz einfach dorthin, wo nach getaner Arbeit die Freizeit lebenswerter scheint als anderswo? Eine Frage, die hier natürlich sowenig beantwortet werden kann wie die, ob der Sportclub Freiburg den Klassenerhalt schafft oder nicht.

Aber immerhin beweist die sportliche Talfahrt der letzen Wochen, dass die Empfindsamkeit auch für kleine Verwerfungen im Triebhaushalt in Südbaden offensichtlich größer ist als anderswo. Seit sieben sieglosen Bundesligawochen jedenfalls kreist die Diskussion keineswegs nur um vergeigte Spiele, versemmelte Torchancen, verlorene Punkte und die ellenlange Verletztenliste beim Sportclub. Die Krise auf dem Feld hat – wieder einmal – auch den therapeutischen Selbsterfahrungsdiskurs befördert, ob das Freiburger Fan-Glück der frühen Bundesligajahre ein für allemal dahin ist.

Nicht dass mittlerweile aufgebrachte Horden die Abfahrt des Mannschaftsbusses blockieren, oder das Team nach Niederlagen kollektive Verhöhnungsarien ertragen muss. Ach wo. Auch kein gellendes Pfeifkonzert. Auch nicht nach dem 0:2 gegen den HSV. Ob ihm aufgefallen wäre, wie viele Zuschauer schon zehn Minuten vor Schluss den Heimweg angetreten haben, ist Trainer Volker Finke am Samstag gefragt worden. Als ob der Mann nicht andere Sorgen hätte. „Bei der Verkehrsanbindung“, polterte Finke prompt, „würde ich bei jedem Heimspiel eine Viertelstunde früher gehen.“

Verpasst hätte er bei der Partie gegen den HSV da nichts mehr. Zweimal hatten Freistöße des Ex-Freiburgers Rodolfo Cardoso den Weg ins Tor des Ex-Hamburgers Richard Golz gefunden. Und in der Schlussviertelstunde waren dann auch die lange durchaus Erfolg versprechenden Versuche des Sportclub erlahmt, selbst zu Treffern zu kommen. Finkes nüchterne Bilanz: „Auch wenn es kein desolater Auftritt war, die Mannschaft ist im Moment nicht fit und homogen genug.“

Im Endspurt um den Klassenerhalt soll da mit der Rückkehr der Rekonvaleszenten im verletzungsgebeutelten Team der Hebel angesetzt werden. Denn vor allem im Kombinationsspiel nach vorne fehlen den Freiburgern ihr Libero Lars Hermel und der Mittelfeldakteur Zoubaier Baya „an allen Ecken und Enden“ (Finke). Dem HSV hatte deshalb schon eine eher mittelmäßige Vorstellung gereicht, um den Dreier auf fremden Terrain zu sichern.

„Die haben mit minimalem Aufwand das Maximale rausgeholt“, trauerte nach dem Abpfiff auch Freiburgs Mittelfeldmann Marco Weißhaupt der verpassten Chance nach, im Abstiegskampf aus dem Clinch in die Halbdistanz zu kommen.

HSV-Sportdirektor Holger Hieronymus hatte der verhaltene Auftritt der Norddeutschen sogar richtig gehend in Rage versetzt. Trotz des Sieges kritisierte er „den fehlenden Biss“ seines Teams und warnte: „Nur mit Schönspielen geht es nicht.“ Ging es aber doch, weil die Freiburger durch Iashvili und Ramdane auch noch beste Torchancen ausließen. Was HSV-Trainer Frank Pagelsdorf in einer Grundfeste der Fußballphilosophie bestätigte: „Man sieht, wenn man unten steht, hat man kein Glück.“ Die Folgewirkungen hatte Kollege Finke in der Kabine bei seinen Akteuren studiert: „Tierischer Frust“ habe da nach dem Schlusspfiff geherrscht. Was vielleicht auch mit dem Blick auf die kommenden Tage zu tun hatte.

Schon während der Partie hatten die Freiburger Kicker nämlich auf der Anzeigentafel mitverfolgen können, wie ihr nächster Gegner Bayer Leverkusen den SSV Ulm demontierte. Bis auf den Rasen, bestätigte Andreas Zeyer, sei beim Einblenden der Zwischenstände „das Raunen auf den Rängen zu hören gewesen“. Manch einer im Freiburger Lager hätte sich da wahrscheinlich gewünscht, es gäbe in der Bundesliga Ereigniskarten wie beim Monopoly: Gehe direkt zum Unterhaching-Spiel, gehe nicht über Leverkusen, hole dir keine weitere deprimierende Niederlage, bevor es in die entscheidenden Runden des Abstiegskampfes geht!