Die neue Armee der Kosovo-Albaner

Die UÇK hat eine Nachfolgerin bekommen: die UCPMP. Die in der jugoslawischen Region stationierten internationalen Soldaten der KFOR sind über die Aktivitäten der Truppe besorgt. Doch die Albaner sind entschlossen, weiter zu kämpfen

aus Giljan ERICH RATHFELDER

Die US-Wachposten an der Grenze Kosovos zu Serbien sind wachsam. Gründlich durchsuchen sie das Auto der Journalisten. Es sollen unter keinen Umständen Waffen in das Albanergebiet jenseits der Grenze des Kosovos, das im südlichen Serbien gelegen ist, gelangen können. Die dort aktiven bewaffneten Truppen der nach eigenen Angaben etwa 100.000 Menschen zählenden albanischen Minderheit UÇPMB (Befreiungsarmee von Preshove, Medvegje und Bujanovac) sollen vom Kosovo isoliert werden. So will es der Kommandeur der US-amerikanischen Truppen, General Ricardo Sanchez. Die Straße führt die Anhöhe hinab in das Dorf Dobrasin, das schon auf serbischem Territorium gelegen ist, und wo sich Truppen der Rebellen befinden sollen. Von serbischer Polizei ist weit und breit nichts zu sehen. Das Dorf scheint leer zu sein, die Bewohner haben sich hinter die hohen Mauern der Anwesen zurückgezogen. Nahe einer Moschee jedoch stehen einige Männer in den Uniformen der neuen Befreiungsarmee. Sie ähneln mit ihren Kalaschnikows und ihrer wilden Haartracht den UÇK-Kämpfern im Kosovo, als die vor zwei Jahren ihren Kampf in der Nachbarprovinz begannen. Am 27. Januar sind Kämpfer der UÇPMB erstmals in Uniform in diesem Dorf offen aufgetreten.

Im Hauptquartier der KFOR-Truppen im Kosovo ist man bestürzt. Mit den Unruhen und Kämpfen in der geteilten Stadt Mitrovica hat man ja genug zu tun; die Nachrichten aus dem benachbarten Montenegro sind zudem alarmierend. Der Kommandeur der amerikanischen Nato-Truppen Wesley Clarke eilte schon Anfang Februar in die Region, nahm sich die kosovo-albanischen Politiker zur Brust und zwang sie, zu erklären, sie hätten nichts mit der Aufstandsbewegung in Südserbien zu tun. Die KFOR-Friedenstruppen, so bekräftigte General Sanchez erst am letzten Freitag, werde keinerlei unterstützende Aktivitäten für die UÇPMB auf dem Territorium des Kosovos dulden. Um zu zeigen, dass sie es ernst meinen, durchsuchten US-Truppen in der letzten Woche albanische Dörfer im Grenzgebiet Kosovos, konfiszierten einige alte Gewehre, Uniformen und zwei Granatwerfer. Und doch existiert die neue Armee. Sie zeigt sich wie hier in Dobrasin, in der Pufferzone, die nach dem Militärabkommen zwischen Nato und der Bundesrepublik Jugoslawien auf der serbischen Seite der Grenze eingerichtet ist. Und von hier aus sind Kommandounternehmen in die Albanergebiete entlang der Grenze möglich. Serbische Truppen dagegen dürfen nach diesem Abkommen in dieser Zone nicht aktiv werden, lediglich serbischen Polizisten ist dort die Kontrolle erlaubt. Was geschieht aber, wenn serbische Truppen die Kämpfer der UÇPMB in diese Zone verfolgen? Müsste da die KFOR nicht reagieren? General Sanchez verneint dies.

Die Kämpfer der UÇPMB kümmern sich nicht um die Entrüstung. „Wir haben uns diesen Kampf nicht ausgesucht“, sagt einer ihrer Anführer. Er berichtet von Repressionen der serbischen Polizei in den Albanergebieten entlang der Grenze und von Mord. So sei Bahre Muslin aus dem Dorf Vrban gekidnappt worden, seine Leiche wurde in dem Dorf Levesov gefunden. Agi Mulin wurde an einer Straßensperre von Polizisten verhaftet und dann getötet.

Sie werden kämpfen. In allen Dörfern entlang der Grenze würde jetzt die UÇPMB aufgebaut, sagt ein Mann. „Und in den Städten haben wir viele Sympathisanten.“ Zehn- bis fünfzehntausend Mann könnte die Truppe umfassen. „Wir wissen, dass die Nato uns nicht helfen wird. Aber was sollen wir tun?“