Renate, geh doch!

Die Berliner Grünen wollen Renate Künast als Bundesvorstandssprecherin ihrer Partei sehen. Eine mögliche Nachfolgerin für den Berliner Fraktionsvorsitz steht schon in den Startlöchern: Sibyll Klotz

von ANNETTE ROLLMANN

Die Berliner Grünen möchten ihre Fraktionschefin trotz der am Wochenende gescheiterten Parteirefom als Bundesvorstandssprecherin sehen. „Ich bin dafür, dass sie den Hut in den Ring wirft. Aber entscheiden muss sie es allein“, fasst Wolfgang Wieland, Fraktionschef der Berliner Grünen, die parteiinterne Stimmung zusammen.

Nach dem Bundesparteitag der Grünen am Wochenende hatte sich Künast noch einmal Bedenkzeit ausgebeten. Denn sie hatte auf die gescheiterte Parteireform gehofft, die eine Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat vorsah. Für Künast wäre die Kür zur Parteichefin nun ein Risiko, da sei ihr Berliner Abgeordentenmandat aufgeben müsste und „das Amt des Parteispreches bei den Grünen immer ein Feuerstuhl ist“, so die stellvertretende Berliner Fraktionsvorsitzende Jeannete Martins.

Aber Unwägbarkeiten drohen noch aus ganz anderer Ecke: Eine der bisherigen Vorstandssprecherinnen, die Hamburgerin Antje Radcke, will erneut kandidieren. Und ob Künast oder Radcke die Unterstützung der Linken in der Partei bekommt, ist laut des Berliner Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele, noch nicht ausgemacht. „Vielleicht gibt es auch noch ganz jemand anderen, den wir nominieren wollen.“

Wieland und auch der Abgeordnete Michael Cramer bedauerten das Scheitern der Reform noch aus einem anderen Grund. Mit ihr wäre es möglich gewesen, den „heimlichen Vorsitzenden der Partei“, Joschka Fischer, in einen erweiterten Bundesvorstand einzubinden. „Wir haben den einzigen Parteivorsitzenden, der nicht gewählt ist, der nicht abgewählt und nicht abgestraft werden kann“, sagte Cramer. Gegner der Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat, wie etwa die erst im November ins Abgeordnetenhaus gewählten Politiker Özan Mutlu und Lisa Paus, befürchten eine zu große Ämterhäufung.

Im möglichen Verlust ihrer Fraktionschefin sehen die Berliner vor allem Chancen für ihren Landesverband. „Die Berliner hätten dann eine starke Stimme im Bundesvorstand“, meint Özan Mutlu. „Die Bundespartei braucht profilierte und erfahrene Leute wie Renate Künast und eine starke Bundesspitze“, ergänzt Wolfgang Wieland.

Sibyll Klotz wie auch Jeanette Martins, beides Politikerinnen aus dem Osten, sprechen der Westdeutschen Künast zudem eine hohe Sensibilität für die Probleme Ostdeutschlands zu. Mit dem Weggang der derzeitigen, aus Sachsen stammenden Sprecherin Gunda Röstel wird kein Politiker aus dem Osten mehr an prominenter Stelle in der Partei vertreten sein. Auch der Nachwuchs in den ostdeutschen Ländern würde nicht mehr wahrgenommen werden, da Bündnis 90/Die Grünen aus allen ostdeutschen Landtagen mittlerweile rausgeflogen sind, meint Martins. Und Klotz bedauert, dass „die Grünen mittlerweile fast eine reine Westpartei sind.“

Über die Nachfolge von Künast an der Berliner Fraktionsspitze wird noch spekuliert. Ein Name fällt auffällig oft: Sibyll Klotz. Die 39-Jährige stand schon von 1996 bis 1997 zusammen mit Wieland an der Fraktionsspitze. Die Parteilinke gilt als Expertin für den Arbeitsmarkt. Ihre Stimme hat in der Fraktion Gewicht. Zuletzt organisierte sie zudem die Demonstration gegen Rassismus am 12. März. Zurückhaltung ist jedenfalls nicht ihre Stärke. Gegenüber der taz brachte sie sich gestern auch selbst ins Spiel.